Was ist die EBSTEIN-Anomalie ?
Verlagerung und/oder Deformation der Tricuspidalklappe
Die EBSTEIN-Anomalie ist eine angeborene Missbildung des Herzens, die bei weniger als 1% aller angeborenen Herzfehler auftritt. Er tritt bei Jungen und Mädchen in gleicher Häufigkeit auf.
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Abb. 6:
Schematische Darstellung des Herzens
Links: Gesundes Herz, rechts: EBSTEIN-Anomalie
LA = linker Vorhof, RA = rechter Vorhof, RV = rechte Hauptkammer (= Ventrikel), LV = linke Hauptkammer (= Ventrikel) |
Die Anomalie betrifft primär die Tricuspidalklappe.
Benannt ist diese angeborene Missbildung nach dem Arzt, der sie zuerst beschrieben hat.
Neben dem spontanen Auftreten der Anomalie ist bekannt, dass Kinder von Müttern, die im 1. Drittel ihrer Schwangerschaft Lithium beispielsweise gegen Depressionen einnehmen, gehäuft EBSTEIN-Anomalien auftreten.
Die Tricuspidalklappe trennt den rechten Vorhof vom rechten Ventrikel. Bei der EBSTEIN-Anomalie ist diese Klappe von ihrem natürlich Ort aus in die rechte Herzkammer hinein verlagert (Abb. 6).
Hierdurch wird ein unterschiedlich großer Anteil des rechten Ventrikels (= RV) zum rechten Vorhof (= RA) „umfunktioniert“, man spricht vom „atrialisierten“ rechten Ventrikel. Der rechte Vorhof ist daher größer und der rechte Ventrikel kleiner als normal.
Zusätzlich zur Verlagerung der Tricuspidalklappe kommt, daß die Klappe oft deformiert ist. Üblicherweise erlauben es die 3 zarten Segel der Klappe, daß Blut ohne Mühe aus der rechten Vor- in die rechte Hauptkammer strömen kann und sie verhindern, daß das Blut aus der Hauptkammer zurück in die Vorkammer fließt (= Ventilfunktion der Klappe). Wenn dieser Klappenapparat defekt oder deformiert ist oder wenn er sogar fehlt kann hierdurch Blut aus der rechten Hauptkammer zurück in die Vorkammer fließen (Klappeninsuffizienz = Klappenundichtigkeit). Bei der EBSTEIN-Anomalie sind die Klappensegel oft so deformiert, daß sie an den Wänden der rechten Hauptkammer angeklebt scheinen. Hierdurch kann sich die Klappe nicht schließen und große Blutmengen können in die rechte Vorkammer zurück strömen. Oft ist das vordere Tricuspidalsegel segelartig vergrößert, um die Missbildung der anderen beiden Segel auszugleichen.
Das Ausmaß der Klappendeformierung und Verlagerung in die rechte Hauptkammer hinein ist sehr variabel, was für die unterschiedlichen Ausprägungen und Schweregrade der EBSTEIN-Anomalie verantwortlich ist. Bei einigen Menschen ist die Deformierung nur gering und daher ist auch die Undichtigkeit der Klappe nur minimal. Diese Menschen können sehr alt werden ohne Probleme zu bekommen. Bei anderen Patienten kann die Deformierung und Verlagerung der Klappe aber sehr schwer sein, was zur Folge hat, daß eine enorme Blutmenge in die Vorkammer zurück fließt. In solchen Fällen muß man manchmal schon Säuglinge und Kinder operieren.
Je größer die Deformierung und Verlagerung der Klappe ist desto größer wird der rechte Vorhof, weil das Maß der Klappenundichtigkeit und damit die Menge des zurückfließenden Blutes zunimmt. Der rechte Ventrikel wird ebenfalls größer werden, weil er versucht, diese in die falsche Richtung fließende Blutmenge zu kompensieren und dennoch ausreichend Blut durch die Lungen zu pumpen.
Durch die Verlagerung der Tricuspidalklappe wird (wie schon gelesen) der rechte Vorhof vergrößert, die rechte Hauptkammer jedoch verkleinert.
Die rechte Hauptkammer ist aber dafür verantwortlich, Blut in ausreichender Menge durch die Lungen zu pumpen, damit es dort mit Sauerstoff versetzt werden kann.
Ist die rechte Hauptkammer bei den schweren Formen der EBSTEIN-Anomalie zu klein kann sie diese ausreichende Blutmenge nicht pumpen. Diese Situation hat Ähnlichkeit mit einer schweren Regierungs-Limousine, in die man den kleinen Motor eines Trabant (die Älteren von Ihnen werden diese Automarke noch kennen!) einbaut. Der Trabant-Motor wird überlastet und über kurz oder lang kaputt gehen. So geschieht es auch bei den schweren Formen der EBSTEIN-Anomalie:
Der rechte Ventrikel wird ebenfalls überlastet und dadurch zunehmend versagen. Diesen Zustand nennt man „Rechtsherzinsuffizienz“ („Rechts-“, weil die rechte Seite des Herzens betroffen ist.)
Mehr über eine Herzinsuffizienz erfahren Sie, wenn Sie hier klicken.
Auch die Undichtigkeit (= Insuffizienz) der Tricuspidalklappe und der Versuch der rechten Hauptkammer, die Menge dieses zurück fließenden Blutes durch vermehrte Pumparbeit auszugleichen kann die Kammer überfordern und auch in diesen Fällen wird eine Rechtsherzinsuffizienz die Folge sein.
Gemeinsam ist allen Formen der EBSTEIN-Anomalie:
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Abb. 7 |
- Verlagerung des mittleren (septalen) und hinteren seitlichen (posterolateralen) Segels der Tricuspidalklappe (Abb. 7) in die rechte Hauptkammer (= rechter Ventrikel) hinein.
Dadurch wird ein Teil des rechten Vorhofes funktionell in die rechte Hauptkammer (Ventrikel) einbezogen (sog. „Atrialisierung“ eines Teils des rechten Ventrikels). Die Größe des atrialisierten Ventrikels ist von Patient zu Patient sehr unterschiedlich
- Unterschiedliche Ausbildungen einer Undichtigkeit der Tricuspidalklappe (Tricuspidalinsuffizienz) (eine Verengung der Klappe (Tricuspidalstenose) ist die Ausnahme)
- Vergrößerung des rechten Vorhofes
- Eine Verbindung zwischen rechtem und linkem Vorhof (= Vorhofseptumdefekt) liegt in etwa 50% aller Fälle vor, entweder in Form eines offenen Foramen ovale oder eines Vorhofseptumdefektes vom Sekundumtyp
- Herzrhythmusstörungen: In einem normalen Herzen gibt es in der Wand der rechten Vorkammer eine Gruppe von Zellen, die elektrische Impulse bilden (ähnlich wie ein Impulsgeber für den Blinker am Auto). Diese Zellgruppe nennt man „Sinusknoten“ oder den „Schrittmacher des Herzens“.
Seine elektrischen Impulse werden über bestimmte Leitungsbahnen in jeden Teil des Herzens geleitet. Hierdurch ist gewährleistet, daß alle Anteile des Herzens in einer koordinierten Weise den Anordnungen des Sinusknotens folgen.
- Etwa 25% aller Patienten mit EBSTEIN-Anomalie haben zusätzliche Leitungsbahnen, die sog. „akzessorischen Bahnen“. Diese zusätzlichen Leitungsbahnen können die elektrischen Impulse an den “normalen” Bahnen vorbei leiten und hierdurch Herzrhythmusstörungen auslösen. Besonders solche Herzrhythmusstörungen, die das Herz schnell und regelmäßig schlagen lassen beeinträchtigen und stören die Leistungsfähigkeit des Herzens und schwächen es, besonders wenn zusätzlich eine bedeutsame Tricuspidalinsuffizienz vorliegt. Eine dieser Rhythmusstörungen wird „Vorhofflimmern“ genannt. Sie kann zu rasenden Herzschlägen, Luftnot und sogar Ohnmacht führen. (Siehe auch “Herzrhythmusstörungen” und „Vorhofflimmern“).
- Verschiedene Schweregrade von (anatomischen oder funktionellen) Behinderungen in Einfluß- oder Ausflußbahn des rechten Ventrikels
- Unterschiedliche Beeinträchtigung auch der Funktion des linken Ventrikels
- Unterschiedliche Ausbildung von Zyanose (= Blauverfärbung von Lippen, Händen usw.)
- Die EBSTEIN-Anomalie ist oft verbunden mit Ventrikelseptumdefekt (Loch in der Trennwand (= Septum) zwischen rechter und linker Hauptkammer
- Verengung der Pulmonalklappe (Pulmonalstenose)
- Verengung des absteigenden Teils der Brust-Aorta (= Aortenisthmusstenose)
- Mitralklappenprolaps (siehe für detaillierte Informationen: Siehe Herzklappenfehler)