Diese Informationen sind Teil einer Informationsreihe unter der Überschrift "Patienten-Akademie". Wenn Sie sich genauer darüber informieren möchten, was das ist und wie Sie die einzelnen Kapitel und Bände auch als eBook bekommen können: Klicken Sie hier.
Die Informationen auf dieser Seite über die Anamnese (d.i. das Vorgespräch des Arztes mit dem Patienten) bekommen Sie, wenn Sie in der nachfolgenden Liste das Format anklicken, das Sie gerne hätten. In diesem eBook sind sowohl die Informationen über die Anamnese als auch diejenigen über eine körperliche Untersuchung und die Phonokardiographie enthalten.
Ebenso wie die Erhebung der Anamnese ist eine körperliche Untersuchung unverzichtbarer Bestandteil jeder ärztlichen Untersuchung, wobei viele Ärzte dies heute anders sehen und sich auf die Durchführung technischer Untersuchungen beschränken. Es ist sicherlich nicht notwendig, eine „komplette“ körperliche Untersuchung durchzuführen, sondern es reicht aus, sich auf die jeweilige Fragestellung oder (noch besser) auf das jeweilige Fachgebiet zu beschränken. Diesbezüglich sollte man den Untersuchungsumfang aber eher großzügig sehen. Für einen Kardiologen beispielsweise ist es notwendig, die folgenden Körperregionen zu untersuchen
Abb. 1 |
Die Zuordnung eines Patienten zu einem bestimmten Körperbautyp erfolgt wegen seines Zusammenhangs mit dem Auftreten bestimmter Erkrankungen. Die Einteilung wurde 1921 von Ernst Kretschmer entwickelt, hat aber bis heute Gültigkeit (Abb. 1):
Mit „Hautfarbe“ ist keineswegs die Hautfarbe im ethnischer Hinsicht gemeint, sondern es geht vielmehr um die Feststellung einer Zyanose und die Beurteilung der Hautdurchblutung.
Zyanose ist die bläulich-rote Verfärbung der Haut, die auf eine Sauerstoffarmut des Blutes hindeutet. Man findet sie immer dann, wenn mehr als 5 g Hämoglobin/100 ml Blut mit einer zu geringen Menge Sauerstoff beladen sind, wie dies z.B. bei Lungenerkrankungen oder Herzfehlern mit Kurzschlußverbindungen zwischen sauerstoffarmen und -reichen Herzhöhlen bzw. Gefäßen (siehe eBook über Herzfehler) der Fall ist. Dabei ist zu beachten, daß das Auftreten einer Zyanose mit der absoluten Menge des sauerstoffarmen roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin) und nicht mit der gesamten Sauerstoffmenge des Blutes verbunden ist. Wenn ein Mensch beispielsweise aufgrund einer Erkrankung sehr viel roten Blutfarbstoff hat dann kann die Menge des eingeatmeten Sauerstoffs nicht zur vollständigen Aufsättigung des Hämoglobins führen, sodaß eine Zyanose entsteht, auch wenn die Lungen gesund sind. Auf der anderen Seite reicht auch eine verminderte Menge eingeatmeten Sauerstoffs zur vollständigen Aufsättigung des Blutes aus, wenn zuwenig roter Blutfarbstoff bei einer Blutarmut ( Anämie) vorliegt.
Abb. 3 |
Abb. 2 |
Man unterscheidet die zentrale und die periphere Zyanose: Bei der zentralen Zyanose sieht man die typische Hautverfärbung am besten an den Lippen (blaue Lippen, Abb. 2) den Fingernägeln und an der Zunge (Abb. 3).
Sie ist in der Regel auf eine Lungen- oder Herzerkrankung mit Kurzschlußverbindung zurückzuführen.
Abb. 4 |
Die periphere Zyanose hingegen betrifft nur einen regional beschränkten regionalen Teil des Körpers und ist nicht Ausdruck einer der genannten Erkrankungen. Sie kann z.B. durch eine venöse Abflußbehinderung entstehen, wenn das Blut nur sehr langsam z.B. aus dem Bein abfließt und infolge der verlängerten Verweildauer im Bein vermehrt Sauerstoff an das Gewebe abgibt; dies ist beispielsweise bei ausgeprägten Krampfadern des Beines die Ursache. Eine spezielle Form der Zyanose (Facies mitralis)beobachtet man nahezu ausschließlich einer einem bestimmten Herzklappenfehler, der Verengung der Mitralklappe (Abb. 4).
Dabei handelt es sich um eine Zyanose ausschließlich der Backen. Warum nur die Backen betroffen sind ist nicht bekannt, aber dieses Bild, das wegen der roten Bäckchen der Betroffenen den Eindruck eines gesunden Menschen erweckt, findet man oft bei Patienten mit den schweren Formen des genannten Herzfehlers.
Blässe ist ein Zeichen verminderter Durchblutung oder verminderten Gehalts der Blutes an rotem Farbstoff (Hämoglobin). Man unterscheidet auch hier eine zentrale und eine regionale Blässe.
Die zentrale Blässe ist oft der Hinweis auf eine allgemeine Durchblutungsstörung (z.B. beim Kreislaufversagen, Schock oder bei schwerer Pumpschwäche des Herzens) oder eine ausgeprägte Blutarmut (Anämie). Die regionale Blässe z.B. eines Fingers, einer Hand oder eines Beines tritt bei entsprechenden regionalen Durchblutungsstörungen (z.B. durch blockierte Arterien auf.
Wichtig für den Kardiologen sind bzgl. der Finger 3 Befunde:
Abb. 5 |
Sie treten in der Regel zusammen mit Trommelschlegelfingern auf und werden durch einen chronischen Sauerstoffmangel (z.B. bei schweren angeborenen Herzfehler mit Vermischung sauerstoffarmen und -reichen Blutes) verursacht, können aber auch bei einer Mukoviszidose auftreten.
Abb. 6 |
Ebenso wie die Uhrglasnägel treten sie bei lange bestehendem Sauerstoffmangel auf, z.B. schweren angeborenen Herzfehler mit Vermischung sauerstoffarmen und -reichen Blutes, schweren Erkrankungen der Lunge, aber z.B. auch bei einer Mukoviszidose auf und sind dann in der Regel mit Uhrglasnägeln kombiniert.
Meistens findet man Trommelschlegelfinger und Uhrglasnägel symmetrisch an beiden Händen, es gibt sie aber auch nur einseitig.
Hierfür gibt es nicht nur 1 Ursache. Die für eine kardiologische Untersuchung wichtigsten sind:
Herzwasser in den Beinen (= kardiale Beinödeme): Immer dann, wenn sich infolge einer Herzschwäche, Herzklappenfehlern oder anderen Erkrankungen Blut vor der Hauptkammer des Herzens ansammelt staut es sich in den Vorkammern. Hat die links Hauptkammer oder ihre Klappen ein solches Problem staut sich Blut in der linken Vorkammer, ist die rechte Hauptkammer oder ihre Klappen betroffen sammelt sich das Blut in der rechten Vorkammer an. Von den Vorkammern aus staut sich das Blut in die angeschlossenen zuführenden Gefäße zurück, d.h. im Fall des linken Vorhofs in die Lungenvenen, beim rechten Vorhof in die obere und untere Hohlvene und damit in die Körpervenen.
Eine Stauung in den Lungenvenen kann man am ehesten an bestimmten Atemgeräuschen) feinblasige Rasselgeräusche, siehe unten) hören, eine Stauung in den Körpervenen hört man jedoch nicht, sondern kann sie sehen und zwar in Form von Wasseransammlungen in den Beinen. Und das erklärt sich folgendermaßen:
Abb. 7 |
Die Wände der Venen sind, im Gegensatz zu den Arterien mit ihren viel dickeren Wänden, für Wasser durchlässig. Daß dennoch im Normalfall kein sichtbares Gewebswasser entsteht liegt daran, daß es ein Gleichgewicht gibt zwischen denjenigen Kräften, die Wasser aus dem Gefäß nach außen ins Gewebe pressen und solchen Kräften, die in im Gefäß behalten bzw. die es ins Gefäß zurücktreiben. Zu den austreibenden Kräften zählt der Blutdruck in den Venen (= Venendruck), zu den andersherum gerichteten Kräften der Druck im Gewebe um die Vene herum und die wasseranziehenden Kräfte bestimmter Blutbestandteile (= osmotische Kraft z.B. von Eiweiß und Salzen im Blut) (Abb. 7).
Diese 3 Kräfte befinden sich normalerweise im Gleichgewicht. Wenn nun der Venendruck infolge einer Stauung in den Venen zunimmt dann nimmt auch diejenige Kraft zu, die Wasser aus dem Gefäß heraus in das umliegende Gewebe treibt und es kommt dort zur Wasseransammlung, d.i. zum Ödem.
Abb. 8 |
Warum gerade in den Beinen?
Der Druck in einem Gefäß hängt davon ab, welches Gewicht die Flüssigkeit oberhalb des Meßpunktes hat. Es ist dasselbe Prinzip wie im Meer: Auf dem Meeresgrund lastet ein sehr viel höherer Wasserdruck auf einem Objekt als an der Meeresoberfläche. Und bei den Venen ist es ebenso (Abb. 8).
Das Gewicht der „Blutsäule“ ist in den Beinen höher als beispielsweise in den Händen. Daher ist der Venendruck in den Beinen auch höher als in den Händen. Und dies hat zur Folge, daß sich das Wasser bei einem (wegen der Herzschwäche) ohnehin schon erhöhten Venendruck bevorzugt in den Beinen ansammelt.
Abb. 9 |
Übrigens: Dasselbe physikalische Prinzip ist auch der Grund dafür, daß Wasseransammlungen in den Beinen überwiegend nachts, wenn man liegt, wieder abfließen und dieses Wasser dann mit dem Urin ausgeschieden wird (= nächtliches Wasserlassen = Nykturie):
Im Liegen lastet keine große Blutmenge oberhalb der Beine, sodaß der Venendruck absinkt und das Gewebswasser wieder in das Gefäß zurückströmen kann. Wasseransammlungen (= Ödeme) in den Beinen haben bei der Untersuchung eines Menschen ein charakteristisches Verhalten (Abb. 9):
Wenn man mit dem Finger kräftig auf den Unterschenkel drückt bleibt eine Delle bestehen.
Bei anderen Schwellungen, die nicht durch Wasseransammlungen verursacht werden ist dies nicht der Fall; hier kann man keine eindrückbaren Dellen verursachen.
Abb. 10 |
Wasser in den Beinen aus anderen Gründen: Befindet sich zuviel Wasser im Körper, z.B. bei einer gestörten Ausscheidungsfunktion der Nieren, oder sind zuwenig osmotisch wirksame Teilchen im Blut (s.o.) kann sich ebenfalls Wasser im Gewebe ansammeln und es können Ödeme entstehen. Menschen, die während einer Hungersnot leben, haben z.B. zuwenig wasserbindendes Eiweiß im Blut und daher ebenfalls Ödeme. Anders als die Ödeme bei einer Herzschwäche, die bevorzugt in den Unterschenkeln entstehen, treten Ödeme anderer Ursachen oft aber auch an den Händen, im Gesicht oder (bei bettlägerigen Menschen) auch am Rücken auf (Abb. 10).
Abb. 11 |
Aus dem Ort der Ödeme kann der Arzt wichtige Rückschlüsse auf die Ursache ziehen, beispielsweise verursachen Nierenkrankheiten häufig Ödeme an den Augenlidern (Abb. 10 rechts).
Es gibt noch andere Ursachen dafür, daß Menschen ihre Beine als geschwollen ansehen: Es kann sich um die Ansammlung Fettgewebe (= Lipödem), um ein Lymphödem (gestörter Abfluß der Gewebeflüssigkeit, Abb. 11)) oder um den Ausdruck von Krampfadern (siehe unten) handelt.
Für die Beurteilung des Allgemeinzustandes spielen Körperhaltung, Gang und Sprache eine Rolle. Immer dann, wenn (nach allgemeiner Einschätzung) diesbezügliche Abweichungen vom Normalen festgestellt werden sollte dies beschrieben werden, z.B. mit „gebeugte oder steife Körperhaltung“, „kleinschrittiger, gebückter oder unsicherer Gang“ oder „verwaschene Spreche“.
BMI | |
---|---|
<18.5 | Untergewicht |
18.6 - 24.9 | Normalgewicht |
25 - 29.9 | Übergewicht |
30 - 34.9 | Adipositas Grad 1 |
35 - 39.9 | Adipositas Grad 2 |
≥40 | Adipositas Grad 3 |
Tab. 1 |
Abb. 12 |
Der Begriff „guter Allgemeinzustand“ sollte nur verwendet werden, wenn der Gesamteindruck des Patienten normal ist.
Auch für die Beurteilung des Ernährungszustandes sollte zunächst der Eindruck des Menschen bei seiner Betrachtung beurteilt werden. Man muß dies aber unbedingt objektivieren, indem man beispielsweise aus Größe und Gewicht (nachmessen, keine Angaben des Betroffenen. verwenden!) den Bodymassindex (BMI) nach der Formel BMI = Gewicht (kg) / Größe2 (m) berechnet.
Man unterteilt die Intensität des Übergewichts nach der neben stehenden Tabelle.
Wenn ein BMI von mehr als 30 errechnet wurde, es sich aber vom Aspekt her nicht um einen „fetten“ Menschen handelt kann ein ungewöhnlich stabiler Körperabi oder eine kräftig entwickelte Muskulatur verantwortlich sein (Abb. 12).
In diesen Fällen beschreibt die Besonderheit z.B. mit „kräftiger Knochenbau“ oder „Statur wie beim Bodybuilder“.
Die Untersuchung des äußeren Brustkorbes bezieht sich bei einer kardiologischen Untersuchung auf die Beurteilung der Form des Brustkorbes, auf die Atembewegungen, die Mammae und evtl. Schmerzpunkte am Brustkorb.
Abb. 13 |
Zu allen Befunden, die man am Brustkorb erheben kann, gehört die Beschreibung ihrer Lokalisation.
Abb. 14 Römische Zahlen: Nr. der Rippen arabische Zahlen: Nr. des Zwischenrippenraums |
Von vorne gesehen gibt es die mittlere Brustbeinlinie (Mediosternallinie, verläuft in der Mitte des Brustbeins), eine Linie, die am seitlichen Rand des Brustbeins entlang verläuft (Parasternallinie) und die Linie durch die Mitte des Schlüsselbeins (Medioclavicularlinie) (Abb. 13).
Weitere Markierungspunkte sind die Schlüsselbeingrube (Fossa ovalis) am oberen Ende des Brustbeins und zwischen dem Ansatz des rechten und linken Schlüsselbein, die Rippenbögen und die Zwischenrippenräume (= Intercostalräume (ICR)), die nach der darüber liegenden Rippe nummeriert werden. (Abb. 14).
Seitlich orientiert man sich an den beiden Achsellinien (siehe Abb. 13): Die vordere Axillarlinie verläuft senkrecht vom höchsten Punkt der vorderen Achselfalte, welche durch den großen Brustmuskel gebildet wird, nach unten die mittlere Axillarlinie verläuft senkrecht vom höchsten Punkt der Achselhöhle bzw. Mitte der Achselhöhle aus nach unten.
Von hinten gesehen (siehe Abb. 13) verwendet man die Vertebrallinie, die auf der Mitte der Wirbelsäule über den tastbaren Dornfortsätzen verläuft, die Paravertebrallinie, die seitlich unmittelbar neben den Dornfortsätzen verläuft und die Medioscapularlinie, die von der Mitte des Schulterblatts senkrecht nach unten zieht.
Abb. 16 |
Abb. 15 |
Trichter- und Kielbrust können durchaus Auswirkungen auf die Lage des Herzens haben, den Faßthorax (Thorax = Brustkorb) findet man häufig beim Emphysem (= Lungenüberblähung) (Abb. 15). Hier besteht ein vermehrter Luftgehalt der Lungen im Brustkorb, was vor allem bei Ultraschalluntersuchungen des Herzens hinderlich ist.
Unter Voussure versteht man eine asymmetrische Vorwölbung des Brustkorbs links über dem Herzen (Abb. 16). Man findet sie bei angeborenen Herzfehlern.
Es ist nur selten notwendig, die Atemfrequenz zu messen. Unbedingt notwendig ist es aber, auf die Symmetrie der Atmung zu achten, also darauf, ob sich beide Seiten des Brustkorbs gleichartig mit der Atmung bewegen.
Die Untersuchung der Brustdrüse ist nicht nur bei Frauen, sondern auch bei Männern sinnvoll.
Bei Frauen geht es nicht darum, die Brust nach Knoten als Hinweis auf einen evtl. bestehenden Tumor abzutasten. Dies wäre zwar sinnvoll, ich halte dies im Zusammenhang mit einer kardiologischen Untersuchung aber nicht für zwingend erforderlich.
Abb. 17 |
Es bietet sich allerdings an, Frauen anläßlich einer auch kardiologischen Untersuchung danach zu fragen, ob und wann sie eine Brustkrebs-Vorsorgeuntersuchung hat durchführen lassen und sie zu ermutigen, dies auch zu tun, falls noch keine Untersuchung durchgeführt worden ist oder das Intervall seit der letzten Untersuchung sehr lang war. Es geht bei der Untersuchung der Mamma vielmehr darum, evtl. Stellen zu finden, die bei Druck schmerzhaft sind. Dies kann nämlich dazu beitragen, die Ursache für beklagte Brustschmerzen zu klären. Hierzu reicht es aus, die Brust „orientierend“ abzutasten.
Bei Männern geht es ebenfalls um das Ertasten evtl. druckschmerzhafter Stellen. Bei ihnen ist es aber auch von Bedeutung, die Größe der Mammae zu beurteilen, nämlich ob sie (wie bei Männern üblich) klein oder ob sie vergrößert ist (= Gynäkomastie) (Abb. 17).
Beim Ansehen der Brust muß man natürlich auch auf die Brustwarzen achten: Sind sie seitengleich, d.h. symmetrisch, und stehen sie (wie im Normalfall) nach außen vor oder sind die nach innen eingezogen.
So banal es klingt, aber die Untersuchung des Brustkorbs nach druckschmerzhaften Stellen liefert oft ganz einfache Ursachen für geklagte Brustschmerzen.
Man geht so vor, daß man den Brustkorb mit beiden Händen von beiden Seiten kräftig zusammendrückt. Im nächsten Schritt sollte man beim sitzenden Patienten mit der geschlossenen Faust kräftig auf die Wirbelsäule klopfen und dabei beobachten, ob und an welcher Stelle Schmerzen ausgelöst werden. Und schließlich sollte man den vorderen Brustkorb mit einem Finger punktförmig feste eindrücken, um ebenfalls evtl. Schmerzen auszulösen. Hierbei empfiehlt es sich, sowohl der Herzgegend, vor allem aber die Ansätze der Rippen am Brustbein rechts und links zu untersuchen. Die Ansätze der Rippen am Brustbein bestehen nämlich aus Knorpel und diese Stellen sind oft schmerzempfindlich. Hierdurch kann man erklären, warum diese Stellen bei bestimmten Bewegungen, beim Atmen, oft aber auch ohne auslösende Ursache spontan Schmerzen verursachen, die nichts mit dem Herzen zu tun haben.
Wenn ein Patient über Schmerzen klagt, die in der linken Schulter, im Schlüsselbein oder Schulterblatt auftreten, sollte man ihn auf jeden Fall auch bitten, den Arm nach vorne, hinten und zur Seite zu bewegen und ihn auch über den Kopf anzuheben. Auch durch evtl. Erkrankungen der Störungen des Schultergelenks können Brustschmerzen evtl. erklären.
Die Untersuchung von Herz und Lungen sind bei einer körperlichen Untersuchung ganz zentrale und wichtige Elemente. Dabei wird die Technik des Abklopfens der Lungen heute nicht mehr durchgeführt und auch die Größe des Herzens kann mit einem einfachen Röntgenbild und einer Ultraschalluntersuchung viel zuverlässiger ermittelt werden als mit Klopftechniken. Es geht vielmehr um das Abhorchen beider Organe.
Das Abhorchen (= Auskultation) des Herzens ist ein elementar wichtiger Teil einer Herzuntersuchung. Ich habe über viele Jahre an Prüfungen mitgewirkt, in denen angehende Kardiologen geprüft wurden und es hat mich entsetzt, daß nahezu niemand (auch als Kardiologe!) mehr in der Lage ist, die Geräuschphänomene auch nur einfachster Herzklappenfehler zu erkennen. Die Gründe für dieses Manko sind einfach: Herzklappenfehler kann man auch mit Ultraschalltechniken oder mittels CT bzw. MRT untersuchen, also: Warum noch abhören?
Hausärzte und praktische Ärzte führen diese Untersuchung des Herzens mit dem Stethoskop noch durch und sie beherrschen dies in der Regel auch. Aber wenn sie ein Herzgeräusch hören überweisen sie den Patienten zum Kardiologen. Und der kommt dann sofort mit dem Ultraschallgerät, ist aber nicht mehr in der Lage, die einfachsten Geräusche zu erkennen. Gerade die Untersuchung von Herzklappenfehlern ist die Paradedisziplin eines Kardiologen, denn man kann (bis auf wenige Ausnahmen) nicht nur erkennen, welcher Herzfehler vorliegt, sondern auch, wie schwer er ist. (Entschuldigen Sie meine harten Worte, aber wenn ich an dieses Thema denke bin ich deprimiert und frustriert.) Ich habe dieses eBook nicht für Kardiologen, sondern für Laien geschrieben. Es wäre daher zuviel verlangt, an dieser Stelle genau und detailliert auf die Unterschiede der Geräusche der verschiedenen Herzfehler einzugehen. Ich möchte Ihnen im Folgenden nur einen Einblick geben. (Sollten Sie an Details interessiert sein: Wenn Sie hier klicken werden Sie auf eine Seite gelangen, über die Sie via AppleBooks einen Auskultationskurs des Herzens bekommen).
Im Folgenden liegt das Schwergericht meiner Ausführungen auf den Herzgeräusch. Es gibt aber noch zusätzliche Befunde:
Abb. 18 |
Abb. 19 MCL = Medioclavicularlinie |
Es handelt sich um denjenigen Ort an der Brustwand, an dem man den Herzschlag am besten spürt. In der Regel ist es die Spitze der linken Hauptkammer, die hier an die Brustwand anstößt.
Man tastet den Spitzenstoß am besten mit der Zeige- und/oder Mittelfinger, den man mit leichtem Druck auf die Brustwand setzt (Abb. 18).
Man findet den Spitzenstoß meistens im 5. Intercostalraum (ICR) links in der Medioclavicularlinie (Abb. 19), es kann aber sein, daß man ihn wegen eines überblähten Brustkorbs (Faßthorax), bei Fettpolstern der Brust, bei einem sich nur müde und schwach bewegenden Herzen oder weil er sich hinter einer Rippe befindet nicht tasten kann.
Bei einer linken Herzkammer, deren Wand stark verdickt ist, fühlt man den Spitzenstoß sehr kräftig. Er kann aber bei verschiedenen Herzerkrankung nach innen (in Richtung auf das Brustbein), nach außen oder nach unten verlagert sein. Der Befund, mit dem man den Spitzenstoß beschreibt, würde z.B. lauten: „Kräftiger Herzspitzenstoß im 5. ICR links in der MCL“.
Brustwandschwirren entsteht, wenn Blut mit großen Druck und hoher Geschwindigkeit durch eine kleine Öffnung fließt oder gepreßt wird. So entsteht es beispielsweise
Abb. 20 |
Man tastet das Brustwandschwirren, indem man beide Hände rechts und links des Brustbeins ohne Druck auf den Brustkorb setzt und dies an mehreren Stellen wiederholt (Abb. 20).
Mit dieser Technik erfaßt man ein Schwirren in einem größeren Areal, wie es z.B. beim Ventrikelseptumdefekt auftritt. Bei einer Verengung der Aortenklappe oder bei einem Ductus arteriosus ist der Ort des Brustwandschwirrens viel kleiner.
Man tastet ein solches umschriebenes Schwirren, indem man zum Tasten nur die Fingerkuppen einer Hand ohne Druck leicht auf die Brustwand aufsetzt.
Der Befund, mit dem man Brustwandschwirren beschreibt, würde z.B. lauten: „Brustwandschwirren über der gesamten Brustwand links des Brustbeins“ oder „Umschriebenes Brustwandschwirren über der Aorta“.
Das Abhorchen des Herzens (aber auch der Lunge oder des Bauches) bezeichnet man als Auskultation.
Abb. 21 |
Es gibt 5 verschiedene Stellen am Brustkorb, an denen man routinemäßig nach Herzgeräuschen sucht. Diese Stellen sind typisch für die Herzklappe, die defekt ist oder für den Ort, an dem ein bestimmtes Problem entsteht (Abb. 21):
Wenn man ein Geräusch über der Aorta hört sollte man immer überprüfen, ob dieses Geräusch in die rechte und linke Halsschlagader fortgeleitet wird, indem man die Halsschlagader in der Mitte des Halses an der Stelle des Pulses der Halsschlagader abhört. Eine solche Geräuschfortleitung ist für die Verengung der Aortenklappe typisch.
Das Abhorchen des Herzens muß immer nach tiefem Ausatmen und nachfolgendem Luftanhalten erfolgen, um Störgeräusche seitens der Atmung zu vermeiden. Es ist notwendig, das Herz an den o.g. Punkten nicht nur im Liegen in Rückenlage, sondern vor allem über der Spitze ebenfalls in Linksseitenlage abzuhören, weil in dieser Position vor allem die Geräusche von Mitralklappenfehlern deutlicher hören lassen.
Im Sitzen mit vorgebeugtem Oberkörper hört man das Geräusch einer undichten Aortenklappe (Aortenklappenundichtigkeit = Aortenklappeninsuffizienz) über der Mitte des Brustbeins zwischen den Auskultationspunkten für die Aorta und die Tricuspidalis sehr gut.
Und schließlich sollte man es sich angewöhnen, bei lauten Herzgeräuschen auch den Rücken in seiner Mitte und etwas rechts und links der Spinallinie abzuhören, weil vor allem die lauten Geräusche der angeborenen Herzfehler hierhin fortgeleitet werden.
Bei jedem Abhören des Herzens sollte man gleichzeitig den Puls des Patienten am Handgelenk oder, wenn er hier nur schwer tastbar ist, am Hals tasten. Man zählt dabei die Herz- und die Pulsfrequenz, die normalerweise identisch sein sollten.
Die Herzfrequenz sollte (der Einfachheit halber) über 15 Sekunden ausgezählt werden. Wird dieser Wert mit 4 multipliziert erhält man die Herzfrequenz pro Minute. Sie beträgt beim Erwachsenen normalerweise 60 - 90/min. Bei einer Beschleunigung auf mehr als 90/min spricht man von einer Tachykardie, bei einer Verlangsamung auf weniger als 60/min von einer Bradykardie.
In manchen Fällen, vor allem beim Auftreten von Extraschlägen (= Extrasystolen) und bei einer Beschleunigung des Herzschlags kann man aber Unterschiede zwischen Herz- und Pulsfrequenz, das sog. Pulsdefizit feststellen.
Bei einem Pulsdefizit besteht ein Unterschied zwischen der Herzfrequenz, die man bei Abhorchen auszählen kann, und der Pulsfrequenz, die sich beim Zählen des Pulses am Handgelenk ergibt. Normalerweise sind diese beiden Frequenzen identisch. Wenn aber Extraschläge des Herzrhythmus auftreten, die einem normalen Schlag mit einem nur sehr kurzen Intervall folgen, hatte das Herz möglicherweise keine Zeit, sich ausreichend mit Blut zu füllen und „schlägt leer“. In diesen Fällen kann man den Extraschlag beim Abhorchen des Herzens hören, es fehlt aber der entsprechende Pulsschlag am Handgelenk.
Und auch bei einer Herzrhythmusstörung mit Namen Vorhofflimmern (s.u.) stellt man oft ein Pulsdefizit fest.
Zur Bestimmung eines Pulsdefizits ist es am einfachsten, wenn man das Herz über eine Minute lang abhört und dann auszählt, wieviele Pulsschläge während dieser Zeit nicht getastet werden können. Man beschreibt dies im Befund dann beispielsweise: „Regelmäßiger Herzrhythmus mit zahlreichen Extrasystolen und einem Pulsdefizit von 8 pro Minute“.
Beim Abhören des Herzens achtet man auf den Rhythmus des Herzschlages. Normalerweise ist der Rhythmus regelmäßig. Es ist zwar nicht die absolute Regelmäßigkeit eines Metronoms, aber der Grundrhythmus ist regelmäßig, wobei man leichte Schwankungen in Abhängigkeit von der Atmung feststellen wird.
Audio 1 Regelmäßiger Herzschlag |
Hören Sie in Audio 1 das regelmäßig schlagende Herz.
Audio 2 Regelmäßiger Herzschlag mit Extraschlägen |
Abweichungen von diesem normalen regelmäßigen Herzschlag bezeichnet man als (Herz-) Rhythmusstörung.
Rhythmus: Es gibt viele Gründe dafür, warum der regelmäßige Herzschlag gestört und damit unregelmäßig wird. Extrasystolen z.B. unterbrechen den Rhythmus mit unregelmäßig auftretenden Extraschlägen (Audio 2).
Audio 3 Unregelmäßiger Herzschlag bei Vorhofflimmern |
Wenn Sie auf den Grundrhythmus achten wird Ihnen die kurze Unterbrechung für nur 1 oder 2 Schläge aber sofort bewußt. Beim Vorhofflimmern (= absolute Arrhythmie) hingegen (Audio 3) ist der Rhythmus des Herzens vollkommen aus dem Tritt geraten und derartig unregelmäßig, daß Sie keinen Grundrhythmus mehr erkennen können.
Dabei kann die Frequenz des Vorhofflimmerns normal, beschleunigt (= Tachyarrhythmie) oder verlangsamt (= Bradyarrhythmie) sein. Das oben erwähnte Pulsdefizit trifft man besonders häufig beim schnellen Vorhofflimmern an.
Es gibt viele Formen von Herzrhythmusstörungen, auf die ich an dieser Stelle aber nicht genauer eingehen möchte, denn es handelt sich bei diesem eBook schließlich nicht um einen Untersuchungskurs für Kardiologen. Wenn Sie sich genauer für die verschiedenen Herzrhythmusstörungen interessieren lesen Sie das eBook zu diesem Thema, das Sie über die Patienten-Akademie bekommen können, wenn Sie hier klicken. Um welche Art einer Herzrhythmusstörung es sich handelt muß und kann man letztlich mit Hilfe eines EKG klären, dennoch können erfahrene Ärzte viele Arrhythmien aber schon beim Abhören erkennen und mehr oder weniger genau zuordnen.
Film 1 |
Es gibt im Verlauf eines Herzschlages 2 Herztöne, den 1. und den 2. Herzton; man bezeichnet sie als S1 und S2 (Film 1).
Der 1. Herzton entsteht durch die Anspannung der Muskulatur der beiden Hauptkammern, den 2. Herzton durch den Schluß der beiden Ausgangsklappen des Herzens, die Pulmonal- (Ausgangsklappe des rechten Ventrikels) und die Aortenklappe (Ausgangsklappe des linken Ventrikels). Daher hört man den 2. Herzton leicht gespalten, weil sich beide Klappen nicht absolut gleichzeitig schließen (zuerst die Aorten-, nachfolgend die Pulmonalklappe). Die Zeit zwischen dem 1. und dem 2. Herzton bezeichnet man als Systole oder Pumpphase. Während ihr wird das Blut aus den Ventrikels ausgepumpt.
Abb. 22 |
Zwischen dem 2. und dem darauf folgenden 1. Herzton liegt die Diastole, d.i. diejenige Phase, während der sich die Ventrikel wieder mit Blut aus dem Vorhöfen füllen (Abb. 22).
Film 2 |
Der Zeitabstand zwischen dem 2. und dem nachfolgenden 1. Herzton ist länger als der Abstand zwischen dem 1. und dem 2. Herzton (Film 2), weshalb der Rhythmus so klingt wie ein humpelnder Mensch.
In der Regel kann man den 1. Herzton daran feststellen, daß er gleichzeitig mit dem am Handgelenk oder am Hals getasteten Puls auftritt. Dennoch kann es bei einer starken Beschleunigung des Herzschlages oder beim Vorhofflimmern schwierig oder sogar unmöglich sein, 1. und 2. Herzton zu unterscheiden.
Neben den beiden Herztönen, die man normalerweise hört, gibt es zusätzliche Töne, die Extratöne genannt werden:
Film 3 |
Der 3. Herzton tritt kurz nach dem 2. Herzton auf (Film 3).
Man hört ihn am besten über der Herzspitze.
Verursacht wird er durch das schnelle Einströmen des Blutes aus den Vor- in die Hauptkammern, was zu einer abrupten Anspannung des Herzmuskels der Hauptkammern führt. Bei jungen Menschen kann dieser Ton normal sein und muß nichts zu bedeuten haben. Man findet diesen Ton krankhafterweise aber auch bei bestimmten Erkrankungen des Herzmuskels (siehe eigenes eBook), bei Undichtigkeiten der Aorten- und Mitralklappe oder bei einer Vernarbung des Herzbeutels.
Film 4 |
Im Gegensatz dazu deutet ein 4. Herzton immer auf eine Herzkrankheit hin. Er ist ebenfalls am besten über der Herzspitze zu hören. Er tritt in der späten Füllungsphase der Herzkammern und liegt kurz vor dem 1. Herzton (Film 4). Verursacht wird dieser Extraton, wenn sich die Vorkammern gegen Ende der Füllungsphase der Hauptkammer zusammenziehen und dadurch Blut mit viel Kraft in eine verhärtet Hauptkammer pumpt. Diese Verhärtung der Ventrikelwand kann durch eine krankhafte Verdickung des Muskels (hypertrophischer Kardiomyopathie) oder bei schwerer Bluthochdruckkrankheit entstehen. Und dann gibt es schließlich noch den Öffnungston der Mitralklappe (Mitralöffnungston = MÖT). Er tritt in einem variablen Abstand hinter dem 2. Herzton auf und entsteht dadurch, daß sich die vernarbte und dadurch verengte Mitralklappe zu Beginn der Füllungsphase der linken Hauptkammer mit hohem Druck öffnet und die mehr oder weniger unbeweglichen Segel der Klappe abrupt gespannt werden (Einzelheiten hier im Auskultationskurs des Herzens oder in der Patienten-Akademie in einem eigenen eBook über Herzklappenfehler).
Herzgeräusche habe ich immer als schön und herausfordernd empfunden. Von den verschiedenen Qualitäten eines Herzgeräusches hört der kardiologische Novize zunächst vielleicht nur eine. Im Laufe seines Berufslebens werden es aber immer mehr. Wenn er das, was er hört, mit den Befundes eines Röntgenbildes, eines Echokardiogramms, einer MRT- oder sogar Herzkatheteruntersuchung abgleicht wird er schließlich nicht nur in der Lage sein, den zugrunde liegenden Herzfehler zu identifizieren, sondern er wird auch noch seinen Schweregrad hören können. Dies erfordert aber viel Mühe und Arbeit.
Es gibt verschiedene Herzgeräusche, die unterschiedliche Qualitäten haben. Ich möchte auf diese Qualitäten nicht im Detail eingehen (siehe „Auskultationskurs des Herzens“), aber ich möchte sie wenigstens erwähnen:
Die Lautstärke beschreibt man nach der folgenden Einteilung:
1/6 kaum hörbar
2/6 leise, gut hörbar
3/6 mittellaut
4/6 laut
5/6 sehr laut
6/6 ohne Stethoskop hörbar
Audio 4 zu Beginn: Tieffrequentes danach: Hochfrequentes Geräusch |
Mit Frequenz ist gemeint, ob ein Geräusch hoch- oder tieffrequent klingt.
Man kann diesen Unterschied verbal schwer erklären, daher hören Sie einfach einmal (Audio 4).
Die Unterscheidung zwischen hoch- und tieffrequentem Geräusch ist wichtig, weil sie dabei hilft, den Ursprung des Geräusches zu definieren: Z.B. verursacht die Verengung der Aortenklappe stets ein tieffrequentes, die Undichtigkeit der Mitralklappe stets ein hochfrequentes Geräusch. Oder: Die Undichtigkeit der Aortenklappe verursacht stets ein hochfrequentes, die Verengung der Mitralklappe stets ein tieffrequentes Geräusch. In Bezug auf die Frequenz gibt es noch andere Geräuschqualitäten, wie z.B. „rau“, „rumpelnd“ oder „gießend“.
Auf diese Feinheiten möchte ich an dieser Stelle dieses eBooks nicht weiter eingehen.
Abb. 23 |
Zum Abhören von Geräuschen benutzt man ein Stethoskop.
Der Kopf des Stethoskops hilft bei der Wahrnehmung von Geräuschen unterschiedlicher Frequenz weiter:
Benutzt man die Glocke (Abb. 23) hört man tieffrequente Geräusche gut, die Membran ist eher für hochfrequente Geräusche gedacht. Die verschiedenen Fabrikate der Stethoskope haben diesbezüglich unterschiedliche Techniken:
Bei einigen kann man den Stethoskopkopf umklappen, bei anderen unterscheidet man mit Hilfe des Auflagedrucks, ob man hochfrequente (Kopf stark aufgedrückt) oder tieffrequente Geräusche hören möchte (Kopf nur leicht aufgelegt).
Abb. 24 |
Dies ist ein sehr wichtiges Kriterium eines Herzgeräusches, denn hieran erkennt man, welche Herzklappe erkrankt ist bzw. welcher Herzfehler vorliegt. Der Hintergrund ist Folgender: Unter Systole versteht man diejenige Phase im Verlauf eines Herzschlags, in der sich das Herz zusammenzieht, in der Diastole erschlafft es wieder (Abb. 24).
Geräusche entstehen nur dann, wenn Blut durch eine Herzklappe fließt. Dabei verursacht ein normaler Blutstrom durch die Klappe keinerlei Geräusche. Diese entstehen nur dann, wenn das Blut verwirbelt wird und dies ist dann, der Fall, wenn die Klappe verengt oder undicht ist.
Film 5 |
Alles steht und fällt daher mit der Frage, in welcher Phase des Herzschlags Blut durch eine Klappe fließt. Um dies zu verstehen sehen uns daher einmal an, wann Blut durch welche Klappe hindurch fließt (Film 5):
Aortenklappe: Sie liegt am Ausgang der linken Hauptkammer. Wenn sich diese Kammer zusammenzieht (Systole) fließt Blut hindurch. Das bedeutet: Wenn diese Herzklappe verengt wird wirkt sich dies während der Systole aus. Das Geräusch einer verengten Aortenklappe ist also ein systolisches Geräusch.
In der Erschlaffungs- bzw. Füllungsphase (Diastole) der linken Hauptkammer fließt über diese Klappe überhaupt kein Blut, denn die Klappe ist nun geschlossen. Dies soll verhindern, daß Blut, das gerade aus der Kammer in die Aorta ausgepumpt wurde, wieder zurück fließt. Ist die Klappe hingegen undicht kommt es während der Diastole zu einem Rückfluß des Blutes aus der Aorta in den linken Ventrikel, d.h. eine undichte Aortenklappe verursacht daher ein diastolisches Geräusch.
Pulmonalklappe: Dasselbe gilt für die Pulmonalklappe am Ausgang der rechten Hauptkammern: Ihre Verengung verursacht ein systolisches, ihre Undichtigkeit ein diastolisches Geräusch.
Mitralklappe: Sie liegt zwischen der linken Vor- und der linken Hauptkammer. Blut fließt normalerweise ausschließlich dann durch die Klappe, wenn sie sich geöffnet hat, um Blut aus der linken Vor- in die linke Hauptkammer hindurch zu lassen, d.h. während der Diastole. Wenn die Mitralklappe also verengt ist und dadurch ein Geräusch entsteht wird dieses Geräusch während der Füllungsphase der Herzkammer, d.i. in der Diastole entstehen.
Während der Pumpphase des linken Ventrikels hat sich die Klappe normalerweise verschlossen, um den Rückstrom von Blut aus dem Ventrikel in die Vorkammer zu verhindern. Ist die Klappe jedoch aufgrund einer Erkrankung undicht, fließt Blut auch während der Pumpphase des Ventrikels in den linken Vorhof, was ein Geräusch verursacht. Dieses Geräusch ist logischerweise ein diastolisches.
Tricuspidalklappe: Dasselbe gilt für die Tricuspidalklappe zwischen der rechten Vorkammer und dem rechten Ventrikel: Ihre Verengung verursacht ein systolisches, ihre Undichtigkeit ein diastolisches Geräusch.
Somit kann man zusammenfassen:
Welche Klappe es ist, die eine Geräusch verursacht kann der geübte Arzt an den anderen Qualitäten des Geräusches erkennen, also daran, ob das Geräusch hoch- oder tieffrequent ist, welche Form (s.u.) oder welche Dauer es hat.
Besonders kompliziert wird es dann, wenn man weiß, daß es nicht nur „einfache“ Herzklappenfehler (also Verengung oder Undichtigkeit), sondern auch noch „kombinierte“ Fehler gibt, bei denen eine Klappe verengt und gleichzeitig undicht ist. Auf diese Möglichkeit möchte ich aber hier, im Rahmen einer Beschreibung der Geräusche für Nicht-Kardiologen nicht genauer eingehen und auch die Geräuschphänomene bei angeborenen oder sonstigen Herzfehler möchte ich nicht detailliert beschreiben.
Wie gesagt, wenn Sie sich hierfür interessieren empfehle ich den „Auskultationskurs des Herzens“. Es gibt noch 3 weitere Charakteristika von Herzgeräuschen:
Abb. 25 |
Daß ein Geräusch eine „Form“ hat wirkt auf den 1. Blick ungewöhnlich.
Dahinter steckt das Aussehen eines Geräusches, wenn man es mit bestimmten technischen Methoden graphisch darstellt
Es gibt die Möglichkeit, Herzgeräusche aufzunehmen, zu speichern und elektronisch zu analysieren. Das Beispiel einer solchen Aufzeichnung sehen Sie in Abb. 25.
Im rechten Teil der Abbildung habe ich mit rot die Form des Geräusches markiert und Sie können (hoffentlich) erkennen, daß dieses Geräusch das Aussehen einer Spindel hat, weshalb man es als spindelförmiges Geräusch bezeichnet.
Abb. 26 |
Es gibt zusätzliche Bezeichnungen für die Form eines Geräusches (Abb. 26), die teilweise nach Begriffen aus der Musik bezeichnet werden:
Aus diesen Geräuschformen kann der erfahrene Arzt nicht nur etwas über die Art des Herzfehlers, sondern auch über dessen Schweregrad aussagen.
Sie beschreibt die Lage des Geräusches im Ablauf eines Herzschlages.
Und auch hier gibt es verschiedene Begriffe, aus denen der Arzt wiederum etwas über Art und Schwere des Herzfehlers aussagen kann:
Hiermit ist gemeint, ob sich Lautstärke und Charakter eines Geräusches durch Atmung, Körperstellungen oder Medikamente beeinflussen lassen, z.B. Geräuschzunahme bei Einatmung, Geräuschzunahme bei Anheben der Beine oder Geräuschintensivierung durch Gabe von Amylnitrit (Medikament, das den Blut relativ schnell ändert).
Aus allen beschriebenen Qualitäten eines Geräusches, also der Lage (systolisch oder diastolisch), der Frequenz (hoch- oder tieffrequent), der Geräuschform, seiner Lage und seiner Beziehung zu bestimmten Funktionen kann man (oft auch ohne Echokardiographie, MRT oder Herzkatheteruntersuchung) die Art des Fehlers und seine Schwere erkennen. Das Erlernen von Herzgeräuschen erfordert, wie Sie sich vorstellen können, viel Erfahrung, viel Zeit und Mühe.
Die Untersuchung der Lungen gehört zu jeder (auch kardiologischen) Untersuchung, wenn es darum geht, nach der Ursache der beklagten Beschwerden zu suchen.
Eine Lungenuntersuchung beinhaltet 3 Komponenten: Abklopfen, Tasten und Abhören.
Abb. 27 |
Man nennt diese Untersuchung „Perkussion“ und man beurteilt den sog. Klopfschall.
Dazu legt der Arzt die Finger seiner 1 Hand auf den Brustkorb, drückt den Mittelfinder fest auf und klopft dann mit dem Mittelfinder der anderen Hand kräftig auf den Mittelfinder der anderen Hand (Abb. 27).
Audio 5 sonorer (Beginn des Audio) und gedämpfter Klopfschall (2. Hälfte des Audio) |
Das dabei entstehende Geräusch ist abhängig vom Luftgehalt der unter dem Finger gelegenen Lunge: Bei „normaler“ Belüftung der Lunge hört man einen hohl klingenden Ton, während der Kopfton dumpfer (man sagt: „gedämpft“) klingt, wenn sich wenig Luft in der Lunge befindet, z.B. wenn der Lunge zusammengefallen ist oder wenn sich vermehrt Flüssigkeit (z.B. bei einer Lungenentzündung) angesammelt hat. Sie können diese Änderung des Klopftons vergleichen mit einer Waschmitteltrommel aus Pappe: Ist die Trommel leer hören sie einen hohlen Ton, ist die mit Sand gefüllt ist der Ton dumpf. Es ist aus technischen Gründen schwer, Ihnen ein Geräuschbeispiel zu geben, in Audio 5 habe ich es dennoch einmal versucht.
Abb. 28 |
Man benutzt diese Klopftechnik zu verschiedenen Zwecken:
Indem man an verschiedenen Punkten des Brustkorbs klopft (Abb. 28) kann man u.U. Stellen finden, über denen der Klopfschall gedämpft ist. Dies kann man beispielsweise als Hinweis auf eine Lungenentzündung werten. Ist der Klopfschall über großen Teilen des rechten oder linken Brustkorbs gedämpft kann dies auf ein Hinweis auf einen Lungenkollaps darstellen. Man kann die Klopftechnik auch dazu benutzen, um die Lungengrenzen oder die Herzgröße abzuschätzen.
Abb. 29 |
Bei der Untersuchung der Lungengrenzen (Abb. 29) rechts und links beginnt man etwa in der Mitte des Brustkorbs auf seiner Rückseite und klopft dann an verschiedenen Punkten neben der Wirbelsäule senkrecht nach unten. An der Stelle, an der der Kopfschall gedämpft wird befindet sich die untere Lungengrenze. Entscheidend ist an dieser Stelle nicht nur die absolute Höhe dieser Grenze, sondern vor allem, ob sie auf beiden Seiten gleich hoch steht.
Mit dieser Technik kann man auch nach Wasser suchen, das sich meistens rechts oder links ganz auf einer Seite des Brustkorbs angesammelt hat (= Pleuraerguß).
Abb. 30 |
Bei der Untersuchung der Herzgrenze (Abb. 30) klopft an auf der Vorderseite der Brust, seitlich beginnend, an verschiedenen Stellen in Richtung auf die Mittellinie. An der Stelle, an der der normale Klopfschall gedämpft wird liegt die Herzgrenze.
Man führt diese Klopftechniken heute nur noch selten durch, denn ein Röntgenbild liefert die Untersuchungsergebnisse (Lungengrenzen und Herzgröße) besser und genauer als die Klopftechniken. Nur in Notfallsituationen, in denen keine Möglichkeiten oder keine Zeit für ein Röntgenbild besteht klopft man noch.
Abb. 31 |
Auch das Abtasten des Brustkorbs hat auch heute noch seine Bedeutung (Abb. 31).
Man überprüft damit, ob die Atembewegungen auf beiden Seiten gleich sind oder ob sich eine Seite des Brustkorbes weniger bewegt als die andere. Vor allem geht es aber um die Untersuchung des sog. Stimmfremitus:
Hierunter versteht man das leichte Vibrieren, das man beim Sprechen durch die auf den Brustkorb des Patienten aufgelegte Hand spüren kann. Der Patient sagt dann Wörter mit tiefer Stimme (z.B. „Neunundneunzig“) und der Arzt tastet dann nach den Vibrationen des Brustkorbs.
Das Verfahren basiert darauf, daß tiefe Frequenzen durch die Luft in den Lungen ausgefiltert und damit nur schwach tastbar sind, während sie bei vermehrter Flüssigkeitsansammlung in den Lungenbläschen (z.B. bei einer Lungenentzündung) verstärkt werden. Ein verstärkter Stimmfremitus tritt somit bei einer Lungenentzündung auf, abgeschwächt ist er bei einer Vernarbung des Brustfells (= Pleura) und überhaupt nicht hörbar ist er bei Wasseransammlungen im Brustfell (weil die Lunge mit der fortgeleiteten Stimme dann durch das Wasser von der Brustwand isoliert ist) oder bei einem Kollaps der Lunge z.B. beim Pneumothorax.
Beim Abhören der Lungen beurteilt man zunächst das Atemgeräusch und sucht nach evtl. Nebengeräuschen.
Audio 6 |
Das normale Atemgeräusch, das man über allen Feldern der Lungen hören sollte klingt wie in Audio 6. Man bezeichnet es als „Vesiculäratmen“.
Audio 7 |
Das Atemgeräusch kann auch verändert sein, z.B. durch Verengungen der Bronchien beim Asthma bronchiale. In diesen Fällen (Audio 7) spricht man von einem spastischem Atemgeräusch.
Neben diesem normalen Atemgeräusch kann man bestimmte Nebengeräusche hören:
Audio 8 |
Trockene (oder grobblasige) Rasselgeräusche: Dieses Geräusch (Audio 8) hört man bei einer Verschleimung der Bronchien, z.B. bei einer Bronchitis.
Audio 9 |
Es ist oft mit dem sog. „Brummen“ (Audio 9) kombiniert, das ebenfalls durch Schleim in den Bronchien entsteht.
Audio 10 |
Feuchte (oder feinblasige) Rasselgeräusche: Diese Geräusche (Audio 10) entstehen, wenn sich Flüssigkeit in den Lungenbläschen befindet (z.B. bei einer Lungenentzündung oder bei einer schweren Schwäche des linken Herzens (Lungenödem)) oder wenn die Lunge vermehrt Bindegewebe gebildet hat, wie z.B. bei der sog. Lungenfibrose. Es kann aber auch ein normales Phänomen sein, wenn man es nur sehr leise und zu Beginn der Abhörphase hört. In diesem Fall bezeichnet man es „Entfaltungsknistern“.
Entfaltungsknistern und die feinblasigen Geräusche beim der Herzschwäche hört man am besten über den unteren Lungenabschnitten am Rücken auf beiden Seiten. Die Geräusche bei einer Lungenentzündung hingegen kann man über denjenigen Lungenfeldern hören, die gerade entzündet sind.
Audio 11 |
Pleurareiben: Man hört dieses Geräusch bei einer Entzündung des Rippenfells (Audio 11). Hier bilden sich infolge der Entzündung Ablagerungen auf beiden Seiten des Rippenfells. Wenn sich diese beiden Seiten des Lungenfells bei der Ein- und Ausatmung aneinander reiben entsteht das typische Geräusch des Pleurareibens.
Die Geräusche, die ich Ihnen bisher beschrieben und akustisch vorgeführt habe gibt es in verschiedenen Abwandlungen. Mal klingen sie heller, mal dumpfer, mal nur bei der Einatmung, mal nur während der Ausatmung und manchmal sowohl während der Ein- als auch während der Ausatmung.
Es gibt Fälle, in denen die Geräusche so klingen, als würden sie unmittelbar unter dem Stethoskop entstehen (was aber durch die gute Schallleitung entzündeten Gewebes vorgetäuscht sein kann), was man als „ohrnahes“ Geräusch beschreibt. In anderen Fällen ist das Geräusch (auch bei schweren Lungenerkrankungen) sehr leise.
Beim Abhorchen der Lunge ordnet der Arzt das zu hörende Geräusch trotz vielleicht bestehender Unterschiede entsprechend den oben beschriebenen Beispielen derjenigen Qualität zu (z.B. grob- oder feinblasig), die am ehesten paßt. Er hat während seiner Ausbildung gelernt, welche Krankheit welches Geräusch verursacht und versucht dann, das gehörte Geräusch zuzuordnen.
Ein weiterer wichtiger Befund einer Lungenuntersuchung beim Abhören ist die Bronchophonie.
Mit ihrer Hilfe kann man die Dichte, also die Festigkeit von Lungengewebe untersuchen. Dazu bittet man den Patienten, Worte mit hochfrequenten Tönen zu flüstern, z.B. das Wort „sechsundsechzig“ und hört sich dann an verschiedenen Stellen des Brustkorbs mit dem Stethoskop an, wie diese Töne klingen: Hört man die „sechsundsechzig“ an einer Stelle nur sehr leise oder sogar garnicht spricht dies dafür, das die Lunge sehr lufthaltig ist (z.B. bei einer Überblähung) oder das sie der Brustwand garnicht anliegt, z.B. bei einem Pneumo-thorax, d.i. beim Kollaps der Lunge. Hört man die „sechsundsechzig“ über einem bestimmten Teil der Lunge hingegen verstärkt und lauter als normal spricht dies dafür, daß das Lungengewebe an dieser Stelle verdichtet ist, z.B. durch eine Flüssigkeitsansammlung bei einer Lungenentzündung. Grund für dieses Verhalten ist, daß hohe Frequenzen (wie bei der „sechsundsechzig“) durch Luft bzw. lufthaltiges Gewebe stärker gedämpft d.i. abgeschwächt werden.
Weil es sich hier um eine eBook-Reihe handelt, die sich mit dem Herzen und dem Kreislauf beschäftigt möchte ich keine detaillierte Untersuchung der Wirbelsäule beschreiben, sondern mich auf die für kardiologische Zwecke wichtigen Dinge beschränken. Diese Dinge sollen Antwort auf die Frage geben, ob es Veränderungen gibt, die die vom Patienten beklagten Beschwerden erklären können. In diesem Zusammenhang sind Luftnot und Brustschmerzen bedeutsam.
Luftnot kann sehr wohl durch Veränderungen der Wirbelsäule verursacht werden, etwa indem es durch ihre Formveränderungen zu einer Verkleinerung des Brustraums mit der Lunge kommt oder indem die Rippen, die ja hinten an der Wirbelsäule ansetzen in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt werden. Daher ist es erforderlich, zunächst die Form der Wirbelsäule im Stehen und mit entkleidetem Oberkörper anzusehen und zu beurteilen:
Abb. 32 |
Abb. 33 |
Sie ist normalerweise S-förmig geformt (Abb. 32). Die zum Rücken in Höhe der Brust gelegene Krümmung bezeichnet man als Kyphose, die in Höhe des Bauches nach vorne zeigende Krümmung als Lordose. Ich denke, daß es leicht vorstellbar ist, daß der Brustkorb bei erheblich verstärkter Kyphose („Buckel“ oder Rundrücken, Abb. 33) zusammengedrückt wird und damit weniger Platz für die Lungen besteht. Auch ist leicht vorstellbar, daß sich die Rippen zur Einatmung nur gering anheben können. Dies kann Luftnot verursachen.
Abb. 34 |
Ebenfalls kann eine starke seitliche Verbiegung der Wirbelsäule (= Skoliose) aus rein mechanischen Gründen zu einer Verformung des Brustkorbs, zu seiner Einengung und damit zu Luftnot führen kann (Abb. 34).
Auch Brustschmerzen können durch Veränderungen der Wirbelsäule verursacht werden. Dabei ist es nicht entscheidend, ob die Wirbelsäule im Sinne einer verstärkten Kyphose oder einer Skoliose verformt ist.
Es ist nicht selten, daß kleine Nerven, die hinten aus der Wirbelsäule austreten, durch (auch nur kleine) Veränderungen der Wirbelkörper gereizt werden und daher schmerzen. Unglücklich ist bei dieser Situation, daß die Schmerzen in Verlaufsrichtung des betroffenen Nerven ausstrahlen, sodaß, wenn linksseitige Nerven betroffen sind, durchaus die Herzgegend schmerzen kann, was zu Verwechslungen mit „Herzschmerzen“ (z.B. Angina pectoris) führen kann. In aller Regel ist der Schmerz bei „echter“ Angina pectoris aber anders (dumpfer) als bei einer nervlichen Ursache (eher scharfer, heller Schmerz). Daher ist es ratsam, bei Patienten, die sich mit Brustschmerzen vorstellen, zu prüfen, ob die Wirbelsäule Ursache sein kann.
Dazu klopft man mit der geschlossenen Faust kräftig auf die Wirbelsäule und beobachtet das evtl. Auftreten von Schmerzen. Es kann in diesem Zusammenhang sinnvoll sein, die Muskulatur auf beiden Seiten der Dornfortsätze der Wirbelsäule abzutasten, um evtl. schmerzhafte Verhärtungen dieser Muskulatur zu erkennen.
Bei der Untersuchung des Bauchraums sind vor allem 3 Dinge wichtig:
Wie groß ist die Leber, kann man eine vergrößerte Bauchschlagader (= Bauchaorta) tasten und sind Strömungsgeräusche der Bauchaorta zu hören.
Je nachdem, aus welchem Grund und mit welchen Beschwerden sich ein Patient vorstellt muß man den Bauchraum genau abtasten, um Organvergrößerungen oder gar Tumoren zu erfühlen, die Nieren beklopfen, mit dem Stethoskop nach Verengungs-Strömungsgeräuschen der Nierenschlagadern suchen, die Darmgeräusche abhören oder die Nieren am Rücken beklopfen. Hierüber möchte in diesem Zusammenhang aber nicht genauer berichten.
Abb. 35 |
Hier geht es um die Fragen, ob die Leber (wie im Normalfall) weich ist und eine glatte Oberfläche hat oder die verhärtet ist und eine buckelige Oberfläche hat. Sehr wichtig ist aber die Beurteilung der Lebergröße. Die Untersuchung der Leber erfolgt im Liegen. Dann legt man 1 Hand (z.B. die linke) ganz locker auf den mittleren rechten Bauch, wobei die Fingerspitzen nach oben zum Kopf zeigen. Die Finger der anderen (der rechten) Hand legt man dann auf die Finger der linken Hand und drückt die Finger der linken Hand dabei nach innen (Abb. 35).
Abb. 36 rot = Leber unter dem Rippenbogen MCL = Medioclavicularlinie |
Die rechte Hand drückt, die Finger der linken Hand fühlen. Man legt dann beide Hände so auf den rechten Oberbauch, daß die Fingerspitzen der linken Hand in der Medioclavicularlinie (MCL) (Abb. 36) an den unteren Rippen liegen und nach oben zeigen.
Dann drückt man die Finger mit der rechten Hand soweit in die Tiefe, bis sie knapp unterhalb der Rippen liegen und läßt den Patienten dann tief einatmen. Durch das Tiefertreten des Zwerchfells wird die Leber nach unten in Richtung auf die Fingerspitzen verschoben und stößt an die Fingerspitzen an.
Wenn die Leber normal groß ist wird ihr Rand nur mit dieser Technik tastbar sein. Ist sie vergrößert tastet man ihren Rand auch ohne das Atemmanöver bereits unterhalb des Rippenbogens. Als Faustregel gilt, daß eine Leber dann vergrößert ist, wenn sie in der MCL den Rand der Rippen überragt.
Auf diese Weise stellt man fest, ob der Leberrand stumpf (normal) oder ob er scharfrandig ist, was krankhaft wäre. Man kann dann ebenfalls tasten, ob die Leber (wie normalerweise) weich oder ob sie krankhafterweise verhärtet ist.
Abb. 37 |
Ist die Leber vergrößert und dadurch bereits ohne Atemmanöver tastbar beurteilt man ihre Oberfläche. Dazu benutzt man nur die Finger einer Hand (Abb. 37), die man mit leichtem Druck auf die Leber aufsetzt und dann etwas in alle Richtungen verschiebt. Man ertastet dann, ob die Oberfläche der Leber glatt (normal), rau oder buckelig ist.
Abb. 38 |
Manchmal, vor allem bei fettreicher Baudecke, kann man den Rand der Leber mit der beschriebenen Technik nicht tasten. Man benutzt in diesen Fällen die „Kratzauskultation“ (Abb. 38):
Dazu setzt man das Stethoskop im Rippenwinkel über die Leber und streicht dann mit einer Fingerspitze in horizontaler Richtung von der Mitte des Bauches aus auf den erwarteten Leberrand zu. Überschreitet man den Leberrand wird man auf einmal ein deutliches und lautes Kratzgeräusch hören, während es außerhalb der Leber nur sehr leise oder garnicht hörbar ist.
Der Befund einer Leberuntersuchung (Größe, Rand, Konsistenz, Oberfläche) könnte dann beispielsweise lauten: „Leber in MCL um 2 QF (= Querfinger) leicht vergrößert mit glatter Oberfläche, nicht verhärtet und mit stumpfem Rand tastbar“.
Es sollte immer nach einer Erweiterung der Bauchaorta (= Bauchaortenaneurysma) gesucht werden. Man tastet dazu im Rippenwinkel (siehe Plazierung des Stethoskops in Abb. 38) und in der Umgebung des Bauchnabels mit 1 Hand (siehe Abb. 37), wobei man manchmal, wenn man mit leichtem Druck der Hand nichts führt auch einen etwas stärkeren Druck mit der tastenden Hand ausüben muß.
Bei einer krankhaften Vergrößerung der Bauchschlagader fühlt man eine unscharf begrenzte Verhärtung mehr oder weniger in der Tiefe, die im Takt des Herzschlages pulsiert.
Die Pulsationen sind dabei sehr wichtig, denn sie helfen dabei, zu unterscheiden, ob die tastbare Verhärtung ein solides Gebilde (z.B. ein Tumor) ist oder eine Aussackung der Aorta darstellt.
Abb. 39 |
Manchmal verursachen Aussackungen der Aorta Strömungsgeräusche, die man mit dem Stethoskop hören kann, manchmal deuten solche Geräusche aber auch auf Verengungen anderer Schlagadern im Bauchraum (z.B. der Nierenschlagadern) hin.
Audio 12 Das Geräusch der Verengung ist das zischende Geräusch. Das Knacken dazwischen sind Stör- und Darmgeräusche |
Man hört den Bauchraum etwa 2 cm oberhalb und 2 cm rechts und links des Bauchnabels (Abb. 39) und, wenn man hier etwas hört, auch über beiden Nieren im Rücken etwa 1 handbreit unter dem Rand der unteren Rippen ab. Benutzen Sie zum Abhören die Glocke des Stethoskopkopfes.
Das Geräusch, das man bei einer Verengung der Nierenarterie hören kann (!) klingt ähnlich wie in Audio 12.
Die Untersuchung gehört zu jeder körperlichen Untersuchung.
Abb. 40 |
Arterien (oder Schlagadern) werden mit 2 Techniken untersucht: Dem Tasten des Pulses und dem Abhören des Gefäßes.
Alleine aus diesen beiden Anforderungen ergibt sich schon, daß man nicht jede Schlagader im Körper untersuchen kann, sondern nur die von außen leicht zugänglichen.
Dies sind (Abb. 40):
Es versteht sich von selbst, daß die oben genannten Arterien immer auf beiden Körperseiten untersucht werden müssen, um evtl. Seitenunterschiede zu erkennen.
Die o.g. Schlagadern werden abgetastet und abgehört:
Abb. 41 grün = Verlauf der Arterie rot: Flußrichtung des Blutes |
Tasten der Arterienpulse: Es gibt verschiedene Tasttechniken: Am Handgelenk benutzt man 2 Finger (Abb. 41).
Dabei drückt man die Arterie mit dem oberen, zur Schulter hin gelegenen Finger, so kräftig ab, daß man mit dem unteren, zur Hand hin gelegenen Finger, keinen Puls mehr fühlt.
Wenn man den Druck mit dem oberen Finger langsam vermindert wird man irgendwann im unteren Finger wieder einen Puls fühlen können. Der Druck, der notwendig ist, um die Arterie abzurücken, gibt dem erfahrenen Arzt ein ungefähres Maß dafür, wie hoch der Blutdruck ist, dies ist aber nur ein ungefährer Anhalt.
Tastet man keinen Puls am Handgelenk tasten entsteht natürlich sofort der Verdacht darauf, daß die Armschlagader verschlossen ist. Dieser Verdacht ergibt sich besonders dann, wenn die Hand „leichenblaß“ ist und schmerzt.
Anhand des Pulses kann man natürlich auf die Herzfrequenz (langsam = bradykard, schnell = tachykard) messen und prüfen, ob der Herzschlag regelmäßig (= rhythmisch) oder unregelmäßig (= arrhythmisch) ist.
Anhand des Testbefundes kann der Arzt weitere Pulsqualitäten feststellen:
Mit diesen Tastbefunden kann der Arzt vieles über den Zustand des Kreislaufs und über evtl. Herzklappenfehler schon beim Abtasten des Handgelenkpulses erkennen, wobei diese Einschätzung natürlich nur sehr grob ist und meistens nur bei schwereren Störungen des Kreislaufs bzw. schweren Herzklappenfehlern möglich ist. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, wenn ich alle o.g. Pulsqualitäten detailliert beschreiben würde, denn der Arzt lernt dies im Laufe seiner Ausbildung an vielen Patienten mit den unterschiedlichen Krankheiten.
Die o.g. Pulsqualitäten gelten nur für die Untersuchung des Handgelenk- (= Radialis-) Pulses. Mit der oben genannten 2-Finger-Technik kann man auch die Pulse an den anderen in Abb. 43 genannten Arterien tasten.
Besser ist bei den anderen Pulsen aber die 3-Finger-Technik, bei der man Zeige-, Mittel- und Ringfinger mit nur leichtem (Hals-, Fußarterien) oder mit etwas festerem Druck (Leisten-, Schlüsselbeinarterie) benutzt.
Es ist dabei auch oft hilfreich, die 3 Finger nicht parallel, sondern in schrägem Winkel über den erwarteten Verlauf des Gefäßes aufzusetzen, um das Gefäß besser lokalisieren zu können.
Abb. 42 |
Dies ist eine Untersuchung zur Überprüfung der Durchgängigkeit der beiden Handarterien (Abb. 42).
Beide Arterien (A. radialis und A. ulnaris) speisen die beiden Hohlhandbögen, aus denen die kleinen Schlagadern für die Blutversorgung der Finger entspringen. Es gibt Untersuchungen, z.B. eine Herzkatheteruntersuchung, bei der in eine der beiden Handgelenkarterien (A. radialis) Katheter eingeführt werden. Würde die Arterie dabei verletzt und würde sie sich infolgedessen verschließen hätte das eigentlich keine unangenehmen Auswirkungen, denn die Fingerarterien würden über die Hohlhandbögen noch über die andere Handgelenkarterie (A. ulnaris) gespeist werden. Die Hohlhandbögen sind aber von Natur aus sehr variable angelegt und das kann bedeuten, daß die Bögen u.U. garnicht existieren. Wenn in einem solchen Fall die A. radialis beschädigt würde und wenn sie sich dadurch verschlösse hätte dies schlimme Auswirkungen, denn Daumen, Zeige- und Mittelfinger würden nun nicht mehr mit Blut versorgt werden. Man muß daher vor solchen Untersuchungen überprüfen, ob ein evtl. Verschluß der A. radialis zur einer Durchblutungsstörung der Hand und der Finger führen würde. Hierzu dient der ALLEN-Test.
Film 6 |
Er muß keinesfalls bei jeder körperlichen Untersuchung eines Patienten durchgeführt werden; vor einer Herzkatheteruntersuchung über die A. radialis oder einer anderen Untersuchung bzw. Behandlung, zu der man die A. radialis punktiert ist der ALLEN-Test aber obligat. Er wird folgendermaßen durchgeführt (Film 6):
Der Patient wird aufgefordert, die Hand immer wieder schnell und kräftig zu ballen, bis sie (von außen sichtbar) weiß wird. Dann drückt der Arzt mit beiden Daumen lange und kräftig auf beide Schlagadern am Handgelenk.
Nach kurzer Wartezeit wird der Patient aufgefordert, die Faust zu öffnen.
Man sieht nun die weiße (blutarme) Handfläche.
Abb. 43 |
Nun nimmt der Arzt seinen Daumen über der A. ulnaris weg, beläßt den Daumen über der A. radialis aber mit vollem Druck. Auf diese Weise wird der Verschluß der A. radialis simuliert.
Man beobachtet nun, was passiert und wie sich die Haut der Handfläche wieder mit Blut füllt:
Wenn die Hohlhandbögen intakt und normal entwickelt sind wird die gesamte Hand schnell wieder durchblutet werden und sich rot färben.
Sind die Bögen aber nicht intakt dann werden sich nur einige Finger, aber keinesfalls die gesamten Hand wieder rot färben. Im Beispiel der Abb. 43 ist der Blutfluß über die A. radialis wieder freigegeben, die A. ulnaris aber weiterhin blockiert. Es färben sich nur diejenigen Finger an, die direkt über die A. radialis mit Blut versorgt werden, die anderen Finger bleiben jedoch weiß. Das bedeutet, daß die Hohlhandbögen nicht funktionieren. Im Falle eines Verschlusses der A. radialis würde die A. ulnaris nun zwar kleinen, Ring- und Mittelfinger mit Blut versorgen, es würde aber kein Blutfluß über die Hohlhandbögen in Daumen und Zeigefinder stattfinden können, sodaß gravierende Konsequenzen drohen würden.
Das Abhören der Arterie dient dazu, evtl. Gefäßverengungen festzustellen.
Man benutzt dazu die Glocke des Stethoskops, die man mit nur ganz leichtem Druck über den jeweiligen Puls der Arterie aufsetzt; würde man stärker drücken würde man das Gefäß dadurch mechanisch verengen und eine künstliche Verengung mit dem entsprechenden Geräusch hervorrufen.
Audio 13 |
Über gesunden Arterien ist im Normalfall keinerlei Geräusch zu hören. Ist die Arterien verengt hört man ein Verengungs- (= Stenose-) Geräusch wie dasjenige einer Verengung der Halsschlagader in Audio 13).
Aus der Art des Geräusches kann man in aller Regel nicht auf das Ausmaß der Verengung schließen, sondern nur darauf, daß das Gefäß überhaupt verengt ist.
Bei der Untersuchung der Venen geht es im Zusammenhang dieses eBooks um die Erfassung des Füllungszustandes der Venen, um die Untersuchung von Krampfadern und um die Untersuchung einer evtl. tiefen Beinvenenthrombose.
Die Beurteilung des Venendrucks und des Füllungszustandes der Venen ist vor allem dann wichtig, wenn es um die Untersuchung eines Patienten geht, der möglicherweise eine Herzschwäche hat. Einen guten Überblick über den Füllungszustand der Venen und den Venendruck erhält man, wenn man sich die Halsvenen eines Patienten ansieht:
Abb. 44 |
Unter normalen Umständen sind die Halsvenen im Stehen und im Sitzen nicht sichtbar. Wenn der Patient jedoch liegt kann man sie (je nach Konstitution des Patienten mehr oder gut erkennen (Abb. 44).
Sieht man im Stehen gestaute Halsvenen sollte man den Patienten zunächst hinlegen und beobachten, ob sich die Venen nun entleeren, was normalerweise und beim gesunden Patienten der Fall ist.
Sieht man aber auch im Liegen gestaute Halsvenen dürfte eine Abflußbehinderung der Venen vorliegen und es sollten weitere (apparative) Untersuchungen durchgeführt werden, um zu klären, ob dieses Phänomen auf eine Herzschwäche mit entsprechender Erhöhung des Venendrucks vorliegt oder ob eine mechanische Abflußbehinderung (z.B. durch einen Tumor) verantwortlich ist.
Abb. 45 |
Sieht man nur im Liegen gestaute Venen, im Sitzen jedoch nicht sollte man als nächstes das Kopfteil der Untersuchungsliege stufenweise anzuheben, um festzustellen, ab welchem Neigungsgrad sich die Venen entleeren. Streng genommen stellt die Höhendifferenz zwischen der Herzebene und der Halsvene bei demjenigen Neigungsgrad, bei dem sich die Vene entleert, stellt einen Hinweis auf das Ausmaß der Abflußbehinderung dar (Abb. 45):
Je höher der Oberkörper und Kopf des Patienten angehoben werden muß, um die Vene zu entleeren desto größer ist der Druck in der Vene am Eingang ins die rechte Vorkammer und desto schwerwiegender ist das Problem.
Film 7 |
In der Praxis wird dieses Meßverfahren aber nicht durchgeführt, weil es schwer umsetzbar ist. Pulsationen der Halsvenen:
Wenn man sich die Bewegungen der Halsvenen genau ansieht (Film 7) wird man feststellen, daß sich das Gefäß nicht einfach hebt und senkt. Diese Bewegungen kann man besonders deutlich erkennen, wenn man eine Taschenlampe nimmt und die Halsseite von seitlich (= tangential) beleuchtet. Beobachtet man diese Bewegungen genau wird man feststellen, daß sich das Gefäß im Verlauf eines Herzschlages 3mal anhebt. In Abb. 46 ist dies schematisch dargestellt.
Abb. 46 |
Die verschiedenen Hebungen und Senkungen, die in graphischen Aufzeichnungen mit Buchstaben gekennzeichnet werden entsprechen dem Verlauf des Drucks in der rechten Vorkammer und entstehen durch den Zu- und Abfluß des Blutes in bzw. aus der Vorkammer. Ich möchte an dieser Stelle nicht auf Einzelheiten eingehen, denn das Verständnis solcher Kurven setzt voraus, daß man Blutströme und Druckverläufe innerhalb des Herzens und Auswirkungen der Herzklappenfunktion, der Herzmuskeltätigkeit und des Herzbeutels auf die Druckkurven genau versteht, was ein Kardiologe während seiner Ausbildung lernen muß. Ein Arzt, der diese Zusammenhänge kennt, kann aber aus den Halsvenenpulsationen Rückschlüsse ziehen auf die Funktion der Tricuspidalklappe (= Klappe zwischen rechter Vor- und Hauptkammer), auf den Herzrhythmus, auf die Arbeitsweise des Herzmuskels der rechten Hauptkammer und den Zustand des Herzbeutels
Abb. 47 |
Krampfadern (= Varizen) kann man bei vielen, vor allem älteren Menschen beobachten, sie treten aber auch bei jüngeren Menschen auf. Man unterscheidet man Bein die oberflächlichen und die tiefen Venen, die miteinander in Verbindung stehen (Abb. 47).
Krampfadern werden oft durch eine Schwäche der Venenwand verursacht, die zu einer Aussackung der Venen und zur Schädigung und Undichtigkeit der Venenklappen führt. Aber auch eine tiefe Beinvenenthrombose (s.u.) kann zu Krampfadern führen, weil das Blut nicht mehr durch die verstopften tiefen Venen abfließen kann und daher über die Verbindungen zwischen oberflächlichen und tiefen Venen in die oberflächlichen Gefäße umgeleitet wird. Dadurch fließt eine große Menge Blut durch die oberflächlichen Venen und sie sacken aus.
Krampfadern können aber auch durch andere Erkrankungen verursacht werden, die zu einer Abflußbehinderung des Blutes aus den Venen führen (z.B. Blutgerinnseln, die die venöse Strombahn einengen oder Herzschwäche mit Blutstauung in den Venen (siehe unter Ödeme).
Andere Ursachen sind überwiegend stehende oder sitzende Tätigkeit, Übergewicht, mangelnde Bewegung oder hormonelle Umstellungen wie in der Schwangerschaft oder in den Wechseljahren.
Abb. 48 |
Man unterscheidet verschiedene Schweregrade:
Die leichtete Form sind sog. Besenreiser (Abb. 48). Hiermit bezeichnet man die Erweiterungen winziger Hautvenen, die als netzförmige Linien auf der Haut zu sehen sind.
In allen schwereren Formen kann man die erweiterten Venen am Unter- und/oder Oberschenkel gut sehen.
Abb. 49 Links: Krampfadern Rechts: Schwere Form von Krampfadern mit Hautverfärbung |
Dabei treten die bläulichen Venen am häufigsten an den Waden oder den Innenseiten der Beine auf. In fortgeschrittenen Fällen sieht man, meistens auf der Vorderseite der Unterschenkel oder am Innenknöchel bläulich-violette Hautverfärbungen (= Hyperpigmentierung) (Abb. 49).
In weit fortgeschrittenen Fällen kommt zu den Hautverfärbungen noch ein narbig verheiltes oder offenes Hautgeschwür vor.
Die Ursache der Krampfadern kann man bei der körperlichen Untersuchung nicht feststellen. Eine Abflußbehinderung kann man jedoch vermuten, wenn die Krampfadern nicht beid-, sondern nur einseitig auftreten.
Bei dieser Erkrankung kommt es im Verlauf der tiefen Beinvenen zur Bildung von Blutgerinnseln, die das Gefäß einengen oder sogar verstopfen.
Tiefe Beinvenenthrombose können gefährlich werden, weil sich das Gerinnsel von der Venenwand ablösen kann, mit dem Blutstrom mitgerissen wird und dann (meistens) in die Lungen gelangt, wo es eine lebensgefährliche Lungenarterienembolie verursacht. Daher ist es von großer Bedeutung, eine tiefe Beinvenenthrombose rechtzeitig zu erkennen.
Wenngleich die Diagnose einer tiefen Beinvenenthrombose letztlich über apparative Untersuchungen (Blutuntersuchungen, Ultraschall, MRT oder Kontrastmitteldarstellung mit Gefäßkatheter) erfolgt müssen Anamnese und körperliche Untersuchung den Verdacht auf eine solche Erkrankung liefern. Erst wenn ein solcher Verdacht besteht sollte man weitere Untersuchungen veranlassen.
Abb. 50 |
Bei der Untersuchung der Beine gibt keine sicheren Hinweise auf eine tiefe Beinvenenthrombose. Bei ausgedehnten Thrombosen kommt es typischerweise (aber auch nicht immer) zu Schmerzen im betroffenen Bein (deutlicher) Umfangsdifferenz (deutlich) eindrückbaren Wasseransammlungen (Ödem). Rötung und Überwärmung des betroffenen Beines mit gespannter, evtl. bläulich verfärbter Haut (Abb. 50).
In den meisten Fällen sieht man diese Befunde einseitig.
In sehr seltenen Fällen kann eine tiefe Beinvenenthrombose aber auch eine Schwellung beider Beine verursachen.
Ein weiteres Zeichen, das zwar nicht beweisend, aber doch charakteristisch für eine tiefe Beinvenenthrombose ist, stellt das sog. Payr´sche-Zeichen dar:
Hierzu drückt der Untersucher mit den Fingern auf die Fußsohle des betroffenen Beines.
Verursacht dieser Druck, vor allem auf der Innenseite der Fußsohle einen Druckschmerz kann dies Ausdruck einer tiefen Beinvenenthrombose sein.
Weitere Verdachtsmomente für diese Erkrankung findet der Arzt aus dem Vorgespräch, wenn er nach evtl. Ursachen einer tiefen Beinvenenthrombose fragt:
Wie gesagt: Die Diagnose einer tiefen Beinvenenthrombose ist allein aus der körperlichen Untersuchung kaum möglich.
Wichtig ist aber, daß der Arzt aus dem Untersuchungsbefund der Beine und der Erhebung der Vorgeschichte wenigstens den Verdacht auf diese Erkrankung bekommt und dann weitere Untersuchungen veranlaßt.
Dieses Krankheitsbild zeigt Ihnen zum Abschluß dieses eBooks noch einmal die Bedeutung einer gewissenhaft und sorgfältig durchgeführten Befragung eines Patienten und körperlichen Untersuchung. Beide sind, obwohl die Medizin (und insbesonders die Kardiologie) heute stark apparativ ausgerichtet sind unverzichtbare Bestandteile jeder ärztlichen Untersuchung. Ich habe Ihnen in diesem eBook nur einen kleinen Ausschnitt daraus gegeben, was man bei einer Anamnese alles beachten und erfragen muß und auch die körperliche Untersuchung enthält (je nach Fachgebiet) u.U. weitere sehr umfangreiche Untersuchungen. Es war aber meine Absicht, Ihnen einen kleinen Einblick in diese elementaren ärztlichen Tätigkeiten zu geben. Und vor allem wollte ich Ihnen vor dem Hintergrund der noch folgenden Teile dieser eBook-Reihe vermitteln, daß Medizin (und vor allem die Kardiologie) nicht nur Apparatemedizin ist, sondern daß der persönliche Kontakt zu den Patienten äußerst wichtig ist.