Die Informationen auf dieser Seite sind auch in einem eBook der Patienten-Akademie enthalten, in dem spezielle Formen von Untersuchung des Herzens beschrieben werden.
Sie bekommen die Version dieses eBooks (Band 13 der eBook-Reihe) für die Ansicht auf einem
Der Test soll die Frage klären, ob Schwindel oder Ohnmachtszustände auf ein „Versagen“ des Kreislaufes zu beziehen sind. Dabei geht er von der folgenden Grundüberlegung aus:
Vom Herzen aus wird das Blut in alle Teile des Körpers gepumpt. Von dort fließt es dann wieder zurück zum Herzens (siehe Band 2 über den Kreislauf). Auf diesem langen Weg verliert es viel an Druck.
Sie kennen das von Bächen, die z.B. eine Wassermühle betreiben:
Das Wasser strömt in wirbelndem Fluß und mit großem Druck in das Wasserrad, verliert hier seinen ganzen Druck, sodaß der Bach nach dem Mühlrad nur noch gemächlich weiterfließt.
Am Kreislauf funktioniert das so ähnlich: Die Pumpkraft des Herzens sorgt dafür, daß das Blut mit großem Druck durch die Schlagadern (= Arterien) zu den Endverbrauchern gelangt (z.B. Nieren, Füße, Muskeln, Haut usw.). Es verliert beim Durchströmen der Endverbraucher aber fast seinen gesamten Druck und verläßt das Organ mit ziemlich niedrigem Druck.
Hier gelangt es nun in die Venen, die das Blut zurück zum Herzen transportieren.
Hier in den Venen herrscht also im Gegensatz zu den Schlagadern ein niedriger Druck, weshalb das Blut in den Schlagadern kräftig und in den Venen nur gemächlich fließt. Wenn man es einmal physikalisch betrachtet ist die „treibende Kraft“ in den Schlagadern sehr viel höher als in den Venen.
Abb. 1 |
Die blaue Säule soll das in den Gefäßen befindliche Blut symbolisieren: Im Liegen ist das Gehirn (rechts) mit Blut versorgt, im Stehen „versackt“ das Blut in den Beinen und im Bauch. |
Film 1 |
Wenn ein Mensch flach liegt befinden sich alle Organe und Teile des Körpers mehr oder weniger in derselben Höhe (Abb. 1, Film 1) und das Herz hat es mit seinem großen Pumpdruck leicht, alle Stellen des Körpers ausreichend mit Blut zu versorgen.
Auch der Rückfluß des verbrauchten Blutes durch die Venen zum Herzen hin geschieht einfach und leicht, obwohl in den Venen nur ein niedriger Druck herrscht und damit eine geringe treibende Kraft besteht. Steht der Mensch allerdings auf dann befinden sich die Füße auf dem Boden, das Herz etwa 1 m darüber und der Kopf mit dem Gehirn noch einmal 40 - 50 cm höher.
In dieser Situation kommt die Schwerkraft (oder die Erdanziehung) zum Tragen:
Es fällt dem Herzen mit seiner kraftvollen Pumpleistung leicht, Blut in den Kopf oder in die Füße hinein zu pumpen. Aber der Rückfluß aus den Beinen zum Herzen hin ist schwierig, denn in den Füßen gibt es keine Pumpe, die das Blut zum Herzen zurück pumpen würde. Der in den Venen herrschende niedrige Druck und die nur geringe treibende Kraft des venösen Blutes reichen nun nicht dazu aus, das Blut zurück zum Herzen zu pumpen.
Wenn der Mensch aufgestanden ist staut sich das Blut in den Venen der Beine und des Beckens. Und weil die Wände der Venen dünn und elastisch sind erweitern sich die Venen, sodaß das Blut, es sind etwa 400 - 800 ml, (wie es in der Arztsprache heißt:) in den Venen „versackt“. Hierdurch nimmt die Menge des Blutes ab, das zum Herzen zurück strömt; das Herz bekommt dadurch weniger Blutnachschub.
Wenn es weniger Blut bekommt kann es auch nur noch weniger Blut wegpumpen und so kommt es, daß der Blutdruck abfällt und die verschiedenen Organe weniger Blut geliefert bekommen. Der Körper bemerkt diesen Blutdruckabfall, weil es in der Hauptschlagader (Aorta), der Halsschlagader (Carotissinus) sowie im rechten Teil des Herzens und den Lungen Druckmeß-“Geräte“ gibt, die diesen Blutdruckabfall wahrnehmen.
Diese Meldung wird nun in das Kreislaufzentrum des Gehirn weiterleiten und hier werden Gegenmaßnahmen eingeleitet:
Das sympathische Nervensystem wird aktiviert.
Hierdurch wird die Herzfrequenz gesteigert (um 10 - 15 Schläge/min) und die Arterien in die Haut, die Muskulatur und im Fettgewebe etwas verengt.
Dadurch wird einerseits die Menge des vom Herzen gepumpten Blutes gesteigert und das Blut andererseits von Haut, Muskulatur und Fettgewebe in die wichtigen Organe (Herz, Gehirn, Nieren) umgeleitet. Zudem kommt es auch dazu, daß sich die Venen der Beine etwas verengen, sodaß hier weniger Blut versackt und mehr Blut zum Herzen zurück transportiert werden kann.
Der Blutdruckabfall im Stehen wird durch diese Mechanismen wieder aufgefangen. Wenn der Mensch länger steht kommt noch ein weiterer Mechanismus hinzu, indem bestimmte Hormone (Aldosteron, Angiotensin, Renin) dafür sorgen, daß die Blutgefäße noch weiter verengt werden und daß Salze ins Blut gelangen, die zu einer Zunahme des Blutvolumens führen.
Diese Mechanismen können aber gestört werden. Die Folge ist, daß der Blutdruckabfall im Stehen nicht aufgefangen wird, daß der Blutdruck abfällt und daß es zu einer Verminderung der Blutversorgung des Gehirns kommt.
Die Folgen sind Schwindel oder sogar Ohnmachtsanfälle, man spricht von orthostatischer Dysregularisation (d.i. eine fehlerhafte Blutdruck- und Herzfrequenzregularisation unter aufrechter Körperhaltung).
Es gibt viele Ursache für eine Störung der oben beschriebenen Mechanismen, die man einem Kreislauftest grob unterteilen kann (siehe Ergebnisse).
Es gibt verschiedene Methoden eines Kreislauftests:
Man legt sich auf eine Liege und bleibt hier etwa 5 Minuten ruhig liegen, damit sich der Kreislauf beruhigen kann.
Während dieser Zeit wird minütlich Puls und Blutdruck gemessen.
Danach steht man abrupt auf und bleibt etwa 10 Minuten lang stehen.
Während dieser Standzeit werden ebenfalls minütlich Puls und Blutdruck gemessen.
Abb. 2 |
Es handelt sich um eine Abwandlung des SCHELLONG-Tests:
Man liegt ebenfalls für etwa 5 – 10 Minuten horizontalauf einem speziellen Untersuchungstisch (Abb. 2), während minütlich Puls und Herzfrequenz gemessen werden.
Danach wird der Tisch in eine Position von ca. 80 Grad aufgerichtet.
Während 30 Minuten werden wiederum laufend Pulsfrequenz und Blutdruck gemessen.
Wenn es nach Ablauf dieser Zeitdauer nicht zum Auftreten von Pulsverlangsamung und/oder Blutdruckabfall gekommen ist wird über eine Infusion ein spezielles Medikament eingespritzt.
Dieses Medikament (Isoproterenol = Katecholamin) soll über eine Erweiterung der Blutgefäße einen Blutdruckabfall provozieren.
Wenn auch nach Infusion dieses Medikamentes innerhalb 30 Minuten keine Reaktion des Kreislaufes erfolgt gilt der Test als negativ (= normale = gesunde Reaktion).
Der Test wird dann durchgeführt, wenn es darum geht, die Ursache eines Ohnmachtszustandes abzuklären, vor allem, wenn man sich bei einem solchen Ohnmachtsanfall verletzt hat.
Zur Klärung einer solchen Frage wird neben einem Kreislauftest nach SCHELLONG oder einer Kipptisch-Untersuchung oft auch ein sogenannter Carotisdruck-Versuch durchgeführt.
Der SCHELLONG-Test darf eigentlich immer durchgeführt werden, wenn er sinnvoll ist.
Eine Kipptisch-Untersuchung sollte nicht durchgeführt werden, wenn
Die Gabe provozierender Medikamente (Isoproterenol) ist bei einer Kipptisch-Untersuchung immer dann strengstens verboten, wenn bekannt ist, daß der Betroffene eine Koronarkrankheit mit Verengungen der Herzkranzgefäße hat, denn in diesem Fall drohen heftige und gefährliche Herzrhythmusstörungen.
Bei positivem (= krankhaftem) Ergebnis kommt es zum heftigen Schwindelanfall oder sogar zur kurzen Ohnmacht.
Wenn ein Provokationstest mit Isoproterenol durchgeführt wird man seinen Herzschlag möglicherweise sehr kräftig empfinden.
Die bei einem positiven (d.i. krankhaften) Test auftretende Ohnmacht ist nur flüchtig und für den Patienten nicht gefährlich.
Lediglich bei Verwendung von Isoproterenol zur Provokation können bei Patienten, die eine Koronarerkrankung mit verengten Herzkranzgefäßen haben bedrohliche Herzrhythmusstörungen (ventrikuläre Tachykardie) auftreten. Insgesamt sind Komplikationen der Untersuchungen aber äußerst selten.
Wenn der Test negativ verläuft kann man davon ausgehen, daß die Schwindelerscheinungen oder Ohnmachtsanfälle, die den Patienten zum Arzt geführt haben, nicht auf eine Fehlsteuerung des Kreislaufes zu beziehen sind.
Abb. 3 |
Die folgenden Befunde gelten als normal (Abb. 3):
Bei positivem SCHELLONG- oder Kipptisch-Test sind mehrere Reaktionen möglich, die aber stets nur dann als krankhaft angesehen werden, wenn sie gemeinsam mit klinischen Beschwerden (Schwindel oder sogar Ohnmacht) auftreten:
Abb. 4 |
Systolischer Blutdruck sinkt um > 20 mm Hg, diastolischer Blutdruck steigt, Herzfrequenz steigt (Abb. 4).
Abb. 5 |
Systolischer Blutdruck sinkt um > 20mmHg, diastolischer Blutdruck steigt, Herzfrequenz bleibt gleich (Abb. 5).
Abb. 6 |
Systolischer Blutdruck sinkt um > 20mm Hg, diastolischer Blutdruck sinkt, Herzfrequenz bleibt gleich (Abb. 6).
Abb. 7 |
Systolischer Blutdruck kann steigen, diastolischer Blutdruck steigt, Herzfrequenz steigt (Abb. 7).
Alle diese verschiedenen Formen besagen zunächst einmal nur, daß eine Kreislaufstörung vorliegt, die die Beschwerden eines Menschen (Schwindel oder Ohnmacht) erklären kann (= orthostatische Dysregularisation).
Man kann aus den Formen keine Rückschlüsse auf die Art des zugrunde liegenden Problems ziehen. Der SCHELLONG-Test ist zwar sehr einfach durchführbar, liefert aber keine sehr genauen Ergebnisse. Besser ist da schon die Kipptisch-Untersuchung. Auch hier sind verschiedene Untersuchungsergebnisse denkbar:
Bei der „klassischen orthostatischen Dysregularisation“ fällt innerhalb von ca. 3 min nach dem Aufrichten der systolische Blutdruck um > 20 mm Hg und der diastolische Druck um > 10 mm Hg ab.
Diese Reaktion findet man oft bei Patienten mit einer gestörten Funktion ihres autonomen Nervensystems; dieses autonome Nervensystem (Sympathicus, Vagus) wird immer dann aktiv, wenn die inneren Blutdruckmeßsysteme des Kreislaufes einen zu hohen oder zu niedrigen Blutdruck melden:
Abb. 8 |
Bei zu hohem Blutdruck wird der Vagus aktiv, der die Pumpkraft und die Schlagfrequenz des Herzens dämpft; ist der Blutdruck zu niedrig wird der Sympathicus aktiv, der für eine schneller Herzfrequenz, für eine kräftigere Pumpkraft des Herzens und für die Verengung der Schlagadern (s.o.) sorgt.
Diese Form der Kreislauffunktionsstörung findet man auch bei Menschen, die (aus welchen Gründen) zu wenig Blutvolumen haben.
Eine Normvariante der orthostatischen Dysregularisation“ ist die sogenannten „initiale orthostatische Dysregularisation“ (Abb. 8):
Hierbei kommt es sofort nach dem Aufrichten aus dem Liegen um einen Abfall des Blutdrucks um > 40 mm Hg. Es kommt dann aber zu einer sofortigen Gegenregularisation, sodaß der Blutdruck schnell wieder normale Werte annimmt.
Abb. 9 |
Die Phase mit dem erniedrigten Blutdruck ist daher nur sehr kurz (< 30 sec), sodaß diese Menschen in aller Regel auch keinen Schwindel oder gar eine Ohnmacht verspüren.
Die „verlängerte orthostatische Dysregularisation“ (Abb. 9) kommt häufiger bei älteren Menschen vor. Man erklärt sie sich durch eine vermehrte Steifigkeit des Herzmuskels und schlechter arbeiten Gegenregularisationsmechanismen, die oben genauer beschrieben wurden. Bei dieser Kreislaufstörung kommt es nach dem Aufrichten zu einem langsam immer stärkeren Abfall des Blutdrucks. Kommt es gleichzeitig zu einem Abfall der Herzfrequenz infolge einer überschießenden Aktivierung des Vagus spricht man von einer Reflexsynkope.
Abb. 10 |
Bei einer weiteren Form der orthostatischen Dysregularisation kommt es nach dem Aufrichten aus dem Liegen zu größeren Schwankungen der Blutdruckes, vor allem aber zu einem überschießenden Anstieg der Herzfrequenz bis zu 120/min (Abb. 10). Diese Form der Kreislaufstörung (POTS = postural orthostatic tachycardia syndrome) betrifft meistens junge Frauen, die über Schwindel beim Aufrichten aus dem Liegen klagen, bei denen aber meistens noch keine Ohnmachtsanfälle aufgetreten sind.