Die Informationen auf dieser Seite sind auch in einem eBook der Patienten-Akademie enthalten, in dem spezielle Formen von Untersuchung des Herzens beschrieben werden.
Sie bekommen die Version dieses eBooks (Band 13 der eBook-Reihe) für die Ansicht auf einem
Der Test hat den Zweck, herauszufinden, warum Patienten schwindelig oder gar ohnmächtig werden.
Damit alle Organe des menschlichen Körpers optimal funktionieren, benötigen sie Blut, daß mit einen ganz bestimmten Blutdruck in diese Organe hineingepumpt wird. Der Blutdruck darf nicht unter eine erforderliche Normalhöhe absinken, weil dann zu wenig Blut in die Organe fließt, er darf aber auch nicht über das normales Maß ansteigen, weil dann 1. die Gefässe und 2. die einzelnen Organe geschädigt werden. Es muß also immer ein bestimmter Blutdruck herrschen.
Die Höhe dieses Blutdruckes kann auch verschiedene Weise beeinflußt werden:
Schlägt ein Herz schnell, steigt der Blutdruck; schlägt es langsam, fällt er; schlägt ein Herz mit viel Kraft, steigt der Druck, schlägt es mit wenig Kraft, fällt er; sind die Blutgefässe sehr eng, steigt der Blutdruck, sind sie weit, fällt er ab.
Nun muß aber irgendeiner dem Kreislauf sagen, was er zu tun hat, wie schnell und wie kräftig das Herz schlagen soll und wie weit die Blutgefässe sein sollen. Hierfür ist zum einen ein Kreislaufzentrum im Gehirn zuständig, zum anderen das Herz selber; wenn Sie sich für Details interessieren lesen Sie Band 4 dieser eBook-Reihe über die Regulation des Kreislaufs.
Diese Regulation funktioniert prinzipiell ebenso wie bei einer Zentralheizung:
Da sitzt ein Thermometer in der Wohnung, das dem Gehirn der Anlage (d.i. der Steuerzentrale) im Keller sagt, wie warm es ist. Wird es zu kalt, dann wird der Heizkessel eingeschaltet, wird es zu warm, wird er abgestellt. Am Kreislauf funktioniert das im Prinzip ebenso:
Auch hier muß es Geräte geben, die den Blutdruck messen.
Die Meßergebnisse werden ins Gehirn an die Steuerzentrale und direkt ans Herz gefunkt. Hier wird überlegt, was zu tun ist.
Melden die Meßorgane (es gibt mehrere) z.B., daß der Blutdruck zu tief ist, ergeht von der Steuerzentrale der Befehl an das Herz, die Frequenz und die Kräfte des Herzschlages zu steigern und an die Blutgefässe, sich zu verengen; steigt der Blutdruck, kommt die Order, die Herzfrequenz und die Kraft des Herzschlages zu senken und die Blutgefässe zu erweitern. So funktioniert das Ganze völlig automatisch, man nennt diese Funktionsweise einen „geschlossenen Regelkreis“.
Abb. 1 |
Eine wesentliche Bedeutung kommt in diesem System den Meßgeräten für die Höhe des Blutdruckes zu:
Eines dieser Meßgeräte sitzt in den Halsschlagadern und zwar genau an der Stelle, an der sich die große Halsarterie in einen Ast für die Versorgung des Gehirnes und einen anderen Ast für die Versorgung des Gesichtes teilt. Von diesem Meßgerät, dem sogenannten Carotissinus (Abb. 1), gehen die Meldungen über die Höhe des Blutdruckes an Gehirn und Herz.
Nun kann dieses Meßgerät funktionsuntüchtig wird, etwa weil die Gefäßwand verkalkt, es kann auf einmal sehr überempfindlich werden und schon auf kleinste Reizungen überschießend reagieren.
Das Meßgerät im Carotissinus liegt am Hals unmittelbar unter der Haut. Wenn das Gerät einen Druck verspürt, kann es nicht unterscheiden, ob dieser Druck von außen, von einem boshaften Menschen mittels dessen Finger erzeugt wurde oder ob der Blutdruck im Gefäß angestiegen ist und dann, aber diesmal von innen, auf das Meßgerät drückt. Die Reaktion des Gerätes ist immer dieselbe:
Es wird „zu hoher Druck“ gemeldet, die entsprechenden Dienststellen leiten die entsprechenden Schritte ein (Frequenzabfall, Herzkraftreduzierung, Blutgefäßerweiterung) und der Blutdruck fällt.
Wenn das Meßgerät nun krank ist, also etwa überempfindlich, dann reagiert es schon auf kleinere Druckerhöhungen mit hysterischen und übertriebenen Meldungen an die Zentrale. Der Effekt ist, daß die Zentrale schon bei geringen Drucken, bei denen sie normalerweise garnichts täte, anfängt, den Druck zu senken. Da das Meßorgan in diesen Fällen aber nicht nur einfach einen erhöhen Druck meldet, sondern (es ist ja krank) in Panik verfällt und einen extremen Druck meldet, zieht die Zentrale, die ja nicht wissen kann, ob das wirklich so ist, die Notbremse:
Das Herz wird über eine kurze oder längere Zeit vollkommen abgeschaltet und stillgelegt: Herzstillstand!
Normalerweise sinkt der Blutdruck dann wieder ab und das Meßgerät kann „OK, Druck ist wieder unten!“ melden, worauf die Zentrale das Herz wieder arbeiten läßt. Da der Blutdruck in Wahrheit garnicht so hoch war, wie die Zentrale gedacht hat, geht der Blutdruckabfall über das Maß des Normalen hinaus. Auf einen solchen unter-normalen Blutdruck reagiert nun das Gehirn mit seinen verschiedenen Zentren sehr empfindlich und der betroffene Mensch empfindet Schwindel oder erleidet gar eine Ohnmacht. Man kann sich die Folgen leicht vorstellen:
Einige Gehirnstellen, die vielleicht von verkalkten Blutgefässen versorgt werden, bekommen zu lange zu wenig Blut, was einen Schlaganfall auslösen kann. Oder der Mensch steht gerade an der Straßenbahnhaltestelle oder fährt mit 180 Sachen über die Autobahn, wird schwindelig oder sogar kurz ohnmächtig und schon ist es passiert.
Man sieht daraus, daß der betroffene Mensch oft nicht nur durch den Herzstillstand selbst gefährdet wird, der geht meistens so schnell wieder vorbei, daß keine bleibenden Schäden entstehen (anders bei Herzstillstand z.B. beim Herzinfarkt), sondern daß die Gefahren vielmehr von den Symptomen „Schwindel“ oder „Ohnmacht“ ausgehen.
Nun liegt das Meßgerät für den Blutdruck, der sogenannte Carotissinus, am Hals direkt unter der Haut und kann durch alle möglichen Drücke beeinflußt werden:
Durch den Blutdruck innerhalb des Gefässes, wie er das auch soll, oder aber auch durch leichten Druck von außen, durch Kratzen am Hals, durch den Rasierapparat, der morgens über den Hals kratzt oder einen zu engen Kragen des Hemdes.
Bei einem kranken Menschen reicht also in der Regel schon die Drehung des Kopfes bei einem zu engen Kragen aus, um den Blutdruck extrem abfallen zu lassen und die oben beschriebenen Symptome auszulösen.
Beim Carotisdruckversuch macht man nun im Grunde genommen nichts anderes, als den Carotissinus bewußt zu reizen.
Man drückt also mit dem Finger darauf und guckt sich jetzt an, was am Herzschlag passiert. Normalerweise geschieht dann nichts.
Fällt die Herzfrequenz fällt deutlich ab oder das Herz hört sogar kurz auf zu schlagen, dann weiß man, daß das Meßgerät überempfindlich und damit defekt ist und daß man entsprechende Gegenmaßnahmen (Implantation eines Herzschrittmachers) einleiten muß.
Abb. 2 |
Der Patient wird mit entblößtem Oberkörper auf die Liege gelegt und an das Extremitäten-EKG angeschlossen.
Der Arzt tastet dann auf einer Halsseite nach dem Puls der Halsschlagader.
Der Carotissinus befindet sich auf jeder Halsseite unter dem Kieferwinkel an der Vorderseite des queren Halsmuskels, des M. sternocleidomastoideus (Abb. 2)).
Das EKG wird eingeschaltet und unter laufendem EKG massiert der Arzt ihn dann mit zartem, aber energischem Druck. Dabei wird die ganze Zeit das EKG beobachtet, was die Herzfrequenz tut.
Passiert auf der einen Seite nichts, wird auch auf der anderen Seite auf den Carotissinus gedrückt, wieder unter ständiger Beobachtung der Herzfrequenz.
Wichtig ist, daß man an der richtigen Stelle drückt. Man erkennt dies daran, daß die Herzfrequenz nach Druck auf den Carotissinus absinkt, manchmal nur ein wenig.
Normalerweise kommt es bei Druck auf einen Carotissinus nur zu einem geringen Frequenzabfall; der Patient verspürt außer einem etwas unangenehmen Druck auf den Hals nichts.
Was kann passieren (Komplikationen)?
Im Grunde genommen genau das, was bei einem überempfindlichen Carotissinus aus so passiert:
Bei Druck auf den Carotissinus kann das Herz extrem verlangsamt werden, manchmal auch kurz stehenbleiben. Der Patient kann dies als Schwindel spüren, sehr selten tritt auch eine Ohnmacht ein. Daher muß man, wenn man im EKG einen Frequenzabfall beobachtet, sofort mit dem Drücken aufhören.
Setzt der Herzschlag nicht sofort wieder ein, muß man Wiederbelebungsmaßnahmen einleiten, wobei in der Regel aber ein kräftiger Schlag mit der Faust auf den Brustkorb ausreicht, um das Herz wieder in Gang zu bringen.
Solche extremen Herzstillstände treten aber nur außerordentlich selten auf. Es versteht sich von selbst, daß man den Test nicht durchführen darf, wenn eine der beiden großen Halsarterien verengt ist, denn in einem solchen Fall wird das Gehirn nur oder überwiegend von dem Blutgefäß der Gegenseite mit Blut versorgt. Was passiert, wenn man diese Blutversorgung mit dem Finger abdrückt, kann man sich vorstellen.
Der Arzt, der den Carotisdruck anordnet, muß sich also vorher davon überzeugen, daß z.B. keine Strömungsgeräusche über den Halsarterien zu hören sind. Diese Feststellung kann man sehr einfach mit Hilfe eines Stethoskopes treffen.
Wichtig ist auch, daß man den Test sofort beendet, wenn man beim Druck auf den Carotissinus eine Pause oder Blockierung auslöst und der Patient über Schwindelerscheinungen klagt.
Pathologisch, also krankhaft, ist der Test dann, wenn
Nicht ganz eindeutig zu interpretieren ist es, wenn während des Carotisdruckes eine höhergradige Blockierung im av-Knoten (siehe "Herzrhythmusstörungen"), also ein av-Block II oder III auftritt. Für die Frage, ob dies pathologisch ist, ist es in der Regel ganz entscheidend, was der Patient vorher für Beschwerden hatte.
Das Auftreten eines av-Blockes ohne vorherige Beschwerden in Form von Schwindel oder Ohnmachtsanfällen, wird man daher als kontrollbedürftigen Befund ansehen, bei dem noch kein Schrittmacher implantiert werden soll, während derselbe av-Block bei jemandem, der häufig schwindelig ist, als pathologisch anzusehen ist.
In Abb. 3 sehen Sie das EKG eines Patienten, bei dem im Carotisdruckversuch eine deutliche Verlangsamung seiner Herzfrequenz auftrat.
In Abb. 4 sehen Sie abschließend noch das Beispiel eines Patienten, bei dem es nach Druck auf den Carotissinus zu einem Herzstillstand kam, der allerdings spontan wieder verschwand.