Die Geräusche auf dieser Seite hören Sie am besten und am realistischsten mit Kopfhörern.
Ein 7-jähriger Junge kam wegen seiner jährlichen Schuluntersuchung zu seinem Kinderarzt. Er hatte keinerlei Vorerkrankungen, keine Beschwerden und fühlte sich wohl. Seine körperliche Untersuchung verlief unauffällig bis auf ein 2-3/6 lautes Systolikum am unteren linken Rand des Sternum. Dieses Geräusch war bei Voruntersuchungen nicht beschrieben worden.
Dieses Geräusch war zu hören:
Wie soll der Kinderarzt nun zwischen einem akzidentellen, d.i. harmlosen Geräusch und einem solchen, das auf einen Herzfehler hinweist unterscheiden?
Herzgeräusche findet man bei Kindern und Jugendlichen häufig. Die meisten dieser Geräusche bei Kindern und Jugendlichen treten bei normalem Blutfluß ohne strukturelle Herzerkrankung oder Fehlbildungen des Herzens und der Gefäße auf. Sie werden daher als „akzidentelle“ Herzgeräusche bezeichnet. Sie sind harmlos und sollten den Eltern der Kinder und den Kindern selber gegenüber auch als „harmloses Herzgeräusch“ bezeichnet werden, um keine unnötigen Sorgen und Ängste hervorzurufen.
Obwohl Herzgeräusche bei vielen Menschen gehört werden können sind sie besonders bei Kindern häufig. Nahezu alle Kinder haben während ihrer Wachstumsphase solche Geräusche. Neben solchen harmlosen bzw. akzidentellen Geräuschen gibt es aber auch solche, die bei angeborenen Herzfehlern oder Herzklappenfehlern auftreten und die in diesen Fällen durch abnorme Blutflüsse verursacht werden.
In Fällen mit Herzgeräuschen bei Säuglingen und Kleinkindern muß der Arzt eine komplette Untersuchung des Herz-Kreislaufsystems durchführen und darf sich nicht auf die Auskultation des Geräusches beschränken, denn letztlich geht es darum, bedeutsame Ursachen des Geräusches auszuschließen. Daher sollte der Kinderarzt, wenn er beim Hören eines Geräusches unsicher ist, den Jungen als nächstes zu einem Kinderkardiologen überweisen.
Bei Kindern und auch Jugendlichen ist es erforderlich, eine genaue Anamnese durch die Eltern zu erheben. Dies umfaßt den Schwangerschaftsverlauf, evtl. Probleme bei der Ernährung des Säuglings, evtl. Atemprobleme oder Hautverfärbungen (Zyanose?), Wachstum und körperliche Aktivität. Veränderungen der Ernährung, vor allem eine lange Zeitdauer einer „Mahlzeit“ kann. ein Hinweis auf eine Herzinsuffizienz sein.
Bei Kindern und Heranwachsenden sollten die Eltern nach den körperlichen Aktivitäten befragt werden: Kann das Kind ebenso ausdauernd spielen wie seine Kameraden? Hat das Kind Luftnot, Herzklopfen oder Brustschmerzen angeben? Gerade Schmerzen in der Brust werden durch die Kinder häufig angegeben, aber man findet nur allenfalls in 1% aller Kinder eine kardiale Ursache hierfür.
Synkopen treten bei etwa 15% der Kinder auf, bevor sie das 21. Lebensjahr erreichen. Meistens werden solche Synkopen jedoch nicht durch Herzerkrankungen verursacht. Dennoch sollte man versuchen, unter welchen Umständen bzw. in welchen Situationen Synkopen aufgetreten sind, um kardiale Ursachen auszuschließen. Obwohl dies bei Kindern nicht sehr häufig ist kann die Kombination von Brustschmerzen und Synkopen auf bedeutsame Herzerkrankungen wie eine Aortenklappenstenose oder eine hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) sein, die wiederum häufige Ursache für den plötzlichen Tod eines Kindes sein können. Wenn Brustschmerzen und Synkopen in der Anamnese angegeben werden, vor allem wenn sie bei körperlicher Belastung aufgetreten sind oder wenn es hypertrophe Kardiomyopathien in der Familienanamnese gab sollten die Kinder sehr eingehend kardiologisch untersucht werden.
Die Erhebung einer genauen Familienanamnese ist bei der Untersuchung von Kindern sehr wichtig, weil angeborene Herzfehler immer dann, wenn Verwandte 1. Grades (Mutter, Vater) ebenfalls einen angeborenen Herzfehler haben gehäuft auftreten. Darüber hinaus wird die hypertrophe Kardiomyopathie autosomal dominant vererbt, was dann zur Folge haben kann, daß junge Menschen während einer körperlichen Belastung plötzlich und unerwartet sterben. Es ist daher wichtig, bei allen (vor allem jungen) Menschen in der Familienanamnese nach angeborenen Herzfehlern im Allgemeinen, nach einer hypertrophen Kardiomyopathie im Speziellen und nach Fällen mit plötzlichem Herztod zu fragen. In diesen Fällen ist dann eine intensive Suche erforderlich, ob der Patient nicht auch eine HCM haben könnte; diese kann nämlich gelegentlich mit einem nur leisen und unspektakulären Herzgeräusch verbunden sein. Bei der körperlichen Untersuchung eines Kindes mit einem unklaren Herzgeräusch ist auf die folgenden Parameter zu achten:
Bei der körperlichen Untersuchung des Herzens sollte zunächst die Brust inspektorisch und palpatorisch nach Verformungen (Voussure?), abnormen Pulsationen (z.B. Herzspitzenstoß) oder nach einem Brustwandschwirren abgesucht werden.
Bei der Auskultation des Herzens achtet man auf die Schlußgeräusche der Herzklappen, also den 1. und den 2. Herzton. es ist wichtig, daß man sich nicht von Beginn an nur auf das Herzgeräusch, das zur Abklärung ansteht konzentriert.
Ein Vorhofseptumdefekt (ASD) beispielsweise beispielsweise liegt bei ⅓ aller angeborenen Herzfehler vor und er wird oft erst im früheren oder späteren Erwachsenenalter festgestellt. Der Grund dafür ist, daß das für diesen Defekt charakteristische Geräusch (Systolikum über der Pulmonalklappe) leise und unspektakulär ist und daher oft als akzidentelles Geräusch angesehen wird.
Der Schlüssel zur Diagnose eines ASD ist der atemfixiert gespaltene 2. Herzton, der durch die Volumenbelastung des rechten Herzens verursacht wird. Dieses Phänomen kann man leicht "überhören“, wenn man sich primär auf das Systolikum konzentriert und daher die Qualität der Herztöne nicht ausreichend beachtet.
Bei der Auskultation des Herzens muß man daher systematisch vorgehen und dabei mit den Herztönen beginnen. Man sucht dabei auch nach zusätzlichen Herztönen, die evtl. als Galopptöne auftreten und dann als möglicher Hinweis z.B. auf eine Herzinsuffizienz, Erkrankungen der Mitral- oder Aortenklappe dienen. Andererseits muß man berücksichtigen, daß ein isolierter 3. Herzton auch bei (jungen) Erwachsenen oft gehört werden kann, ohne daß ein bedeutsamer Herzfehler vorliegt.
Wenn man ein Herzgeräusch auskultiert müssen die folgenden Charakteristika beschrieben werden:
Dabei muß man beachten, daß Geräusche prinzipiell in beide Richtungen des Blutstroms fortgeleitet werden können. Man auskultiert daher systematisch die klassischen Auskultationspunkt (2. ICR rechts und links parasternal), 4. ICR links 2 Querfinger parasternal (= ERB´scher Punkt) und die palpatorisch ermittelte Herzspitze).
Zusätzlich auskultiert man in der linken Achselhöhle und über beiden Carotiden und am Rücken links paravertebral.Man beschreibt dann denjenigen Ort, an dem das Geräusch am lautesten zu hören ist (= Punktum maximum (p.m.)) und diejenige der anderen o.g. Stellen, an denen man das Geräusch ebenfalls hören kann.
Hier geht es um
Man unterscheidet die folgenden 6 Lautstärken:
1/6: Sehr leise. Oft erst erkennbar, wenn man sich „eingehört“ hat. Kann evtl. nicht in jeder Körperhaltung auskultiert werden
2/6: Leise, aber sofort nach dem Auflegen des Stethoskops zu hören. Leiser als das Atemgeräusc
3/6: Mittellaut, etwa dieselbe Lautstärke wie das Atemgeräusch
4/6: Sehr laut, lauter als das Atemgeräusch
5/6: Sehr laut. Auch hörbar, wenn das Stethoskop nur teilweise auf die Brust aufgelegt wird
6/6: Sehr laut. Hörbar auch dann, wenn das Stethoskop die Brustwand nicht unmittelbar berührt. Oft verbunden mit tastbarem Brustwandschwirren
Beachten Sie, daß die Lautstärke eines Geräusches in aller Regel nichts über den Schweregrad eines evtl. Herzfehlers aussagen. Die Schweregradsabschätzung ist eher aufgrund der jeweils vitientypischen anderen Charakteristika des Geräusches möglich. 5. Das evtl. Vorliegen oder das Fehlen von Ejektionsklicks.
Akzidentelle Herzgeräusche werden durch den Blutfluß durch die Klappen und großen Gefäße verursacht. Daher werden Veränderungen des Blutflusses Auswirkungen auf die Lautstärke des Geräusches haben:
Manöver, die den Rückfluß des venösen Blutes zum Herzen vermindern (z.B. das VALSALVA-Manöver) vermindern die Lautstärke des Geräusches und sind ein Hinweis auf seinen akzidentellen Charakter. Auch die Veränderung der Körperposition des Kindes (Liegen => Sitzen => Stehen => Hockerstellung) verändern die Intensität des Blutflusses durch das Herz und damit die Lautstärke des Geräusches, was bei der Differenzierung des Geräusches (akzidentell oder nicht) helfen kann. (Ein VALSALVA-Manöver kann man auch bei kleinen Kindern provozieren, indem man ihm eine Hand mit leichtem Druck auf den Bauch legt und es dann auffordert, die Hand mit dem Bauch „wegzudrücken“.)
Es gibt die folgenden Arten akzidenteller Herzgeräusche:
Es handelt sich um ein tieffrequentes Geräusch links parasternal. Es ist meistens musikalisch, kann aber auch rein tieffrequent sein. Meistens tritt es bei jungen Menschen (> 3 Jahre) bis ins frühe Erwachsenenalter auf.
Wegen seiner tiefen Frequenz hört man das Geräusch am besten mit der Glocke des Stethoskops. Es ist ein flußabhängiges Geräusch, dessen Lautstärke sich bei Änderungen der Körperposition oder im VALSALVA-Manöver ändert. Klicks sind nicht zu hören.
Es handelte sich um ein eher tieffrequentes, weiches Geräusch über dem 2. ICR links parasternal. Wegen seiner hohen Frequenz hört man es am besten mit der Membran des Stethoskops. Auch dieses Geräusch ist in seiner Lautstärke flußabhängig, sodaß es bei Änderungen der Körperposition und im VALSALVA-Manöver lauter bzw. leiser wird.
Es muß von einer Stenose der Pulmonalarterie unterschieden werden, was durch den Klangcharakter des Geräusches möglich ist und ebenfalls von einer Pulmonalklappenstenose differenziert werden; die valvuläre Pulmonalstenose verursacht einen Ejektionsklick, der beim pulmonale Austreibungsgeräusch fehlt.
Pulmonale Flußgeräusche können in jedem Lebensalter auftreten, sind aber bei Erwachsenen und bei Menschen mit Trichterbrust häufiger zu finden.
Besonders deutlich wird dieses Geräusch in Situationen mit erhöhtem Blutfluß, also bei Kindern mit Fieber oder bei Anämie.
Man hört dieses Geräusch bei Säuglingen besonders laut im Rücken oder der Achselhöhle, weil die Flußturbulenzen dort entstehen, wo sich die großen Pulmonalarterienstämme in die kleineren, noch nicht so gut entwickelten Lungengefäße aufteilen. Dies wiederum liegt daran, daß während des intrauterinen Lebens etwa 90% des Blutes durch die Pulmonalarterie zum Ductus venosus transportiert wird und nur etwa 10% durch die distalen Lungenarterien fließt. Dadurch hat die Pulmonalis-Hauptarterie ein weites Kaliber, während die distalen Gefäße wesentlich dünner sind und zudem in einem scharfen Winkel aus dem Hauptgefäß entspringen. Im Laufe der ersten Lebensjahre nehmen aber auch diese Gefäße an Kaliber zu und entspringen in flacheren Winkeln. Aus den genannten pathophysiologischen Gründen bezeichnet man dieses Geräusch auch als „benigne periphere Pulmonalstenose des Neugeborenen“, um es von dem Geräusch bei „echten“ peripheren Pulmonalstenosen zu unterscheiden, wie sie beispielsweise bei der Rötelnembryopathie vorkommen.
Es handelt sich um ein scharfes hochfrequentes Geräusch, das durch den normalen Blutfluß in die Aorta und in die Halsgefäße entsteht.
Es wird am besten im Bereich des Jugulums und cranial der Claviculae gehört.
Am besten auskultiert man es mit der Membran des Stethoskops.
Es gibt keinen Ejektionsklick.
Das Geräusch wird vom Ursprungsort fortgeleitet, sodaß man es auch über den Carotiden noch gut hören kann.
Dieses Geräusch ist häufig zu hören und es ist nicht durch pathologische Veränderungen im linksventrikulären Ausflußtrakt incl. der Aorta und der Aortenklappe bedingt; diese Unterscheidung ist anhand eines anderen Klangcharakters des Geräusches möglich.
Das tieffrequente weiche Geräusch wird durch den venösen Rückfluß des Blutes zum Herzen verursacht. Man hört es am besten mit der Glocke des Stethoskops über den großen Halsvenen und supraclaviculär. Bei Änderungen der Position des Kopfes oder bei Druck auf die großen Halsvenen ändert sich der venöse Fluß und das Geräusch wird leiser oder verschwindet. So wird das Geräusch verschwinden, wenn man den Patienten (auch ein Kind) zu Boden sehen läßt oder den Kopf zur Seite dreht.
So hört sich ein venöses Strömungsgeräusch an:
Das Geräusch muß von demjenigen eines Ductus arteriosus apertus unterschieden werden, bei dessen Vorliegen das Diastolikum wegen des hier verstärkten venösen Flusses lauter ist; zudem hört man das Geräusch meistens beiderseits.
Dies ist das Geräusch eines offenen Ductus BOTALLI:
Venöse Strömungsgeräusche ändern ihre Lautstärke in Abhängigkeit von der Position des Körpers (stehend oder liegend) und des Kopfes, was beim Ductus arteriosus Aperçus keinen Einfluß auf das Geräusch hat.
Bei Kindern mit Herzgeräuschen ist ein EKG hilfreich, weitere Untersuchungen sind bei der Mehrheit der Kleinkinder und Kinder aber nicht notwendig, um bedeutsame Vitien auszuschließen. Die oben beschriebenen Geräuschcharakteristika und ihre Abhängigkeit von bestimmten Manövern lassen das Geräusch durch einen erfahrenen Kinderkardiologen in der Regel auch ohne weitere Untersuchung als flußabhängige benigne Herzgeräusche identifizieren.
Nach der Feststellung des benignen Charakters des oder der Geräusche (Kinder können mehrere der oben genannten akzidentellen Geräusche aufweisen) sollte den Eltern und dem Kind selber die Harmlosigkeit des Befundes erklärt werden. Die Eltern sollten erfahren, daß ein Herzgeräusch letztlich nur ein Geräusch ist und keine Herzkrankheit an sich darstellt. Hinweisen sollte man die Eltern auch darüber, daß Herzgeräusche bei einer großen Zahl von Neugeborenen, Säuglingen und Kindern zu hören sind, daß aber nur bei etwa 1% dieser Menschen ein angeborener Herzfehler vorliegt. Man sollte nicht versprechen, daß sich das Geräusch im Zuge der körperlichen Entwicklung des Kindes „auswachsen“, denn auch bei Erwachsenen können akzidentelle Herzgeräusche zu hören sein. Den Eltern sollte versichert werden, daß ein akzidentelles Geräusch keine weiteren diagnostischen oder therapeutischen Konsequenzen hat, außer daß man den Verlauf des Geräusches vielleicht 1 oder 2 Jahre später bzw. nach Abschluß der Pubertät noch einmal kontrolliert werden sollte. Weil akzidentelle Herzgeräusche flußabhängige Phänomene sind darf erwartet werden, daß sich das Geräusch im Laufe der Entwicklung des Kindes mit den physiologischen Wachstumsveränderungen des Herzens und des Brustkorbes verändern wird und oft (aber nicht immer) verschwindet.
Aus den oben beschriebenen Befunden ergibt sich, daß der Junge am ehesten ein akzidentelles Herzgeräusch aufweist. Man wird aber sicherheitshalber noich ein Echo durchführen.