Stoffwechsel des Herzens

Die Informationen auf dieser Seite sind auch in einem eBook der Patienten-Akademie enthalten.

Sie bekommen die Version dieses eBooks (Band 1 der eBook-Reihe) in verschiedenen Formaten:


Vorbemerkungen

Um das Herz und den Kreislauf zu verstehen müssen Sie zunächst etwas über ihre Grundfunktionen wissen:

Jeder Körpers eines Lebewesens besteht aus unzähligen Zellen, die äußerlich in einer speziellen Form arrangiert wurden. Bei einem Menschen entsteht durch dieses spezielle Arrangement die spezielle äußere Form eines Menschen und bei einem Hund die ebenfalls spezielle Form eines Hundes.

Abb. 1

Bei diesen Zellen, aus denen ein Lebewesen besteht handelt es sich um verschiedene Zell-„Typen“, die unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen haben. Einige Zellen sollen beispielsweise die Arme bewegen (das sind Muskelzellen), andere sollen den Körper stützen (das sind die Knochen), wiederum andere sollen Hormone produzieren, elektrische Impulse leiten oder nachdenken und dann gibt es auch noch solche Zellen, die den ganzen Körper des Lebewesens nach außen umschließen und abdichten sollen (das sind die Hautzellen).
Es gibt also eine Vielzahl verschiedener Zellen, die die verschiedensten Aufgaben haben. Um diese Aufgaben wahrnehmen zu können benötigen sie allerdings alle dasselbe: Rohstoffe und Energie.

Stellen Sie sich (um dies zu verstehen) einmal eine Fabrik vor (Abb. 1):

Sie benötigt

Hier in den Zellen befinden sich auch die „Generatoren“, aus denen die Energie für die Produktion der verschiedenen Substanzen benötigt werden.

Die Generatoren zur Energieproduktion benötigen ihrerseits wiederum Energie und Substanzen, die sie zu ihrem Betrieb benötigen. Der Stromgenerator, den Sie beispielsweise von einer Baustelle kennen soll Strom liefern, wozu sein Motor mit Öl, Diesel oder Benzin betrieben wird.

Über all dies sollen Sie in diesem eBook informiert werden.

Bedenken Sie an dieser Stelle zunächst Folgendes:

Der Kreislauf hat die Aufgabe, Nährstoffe, Bausteine für die Herstellung der verschiedensten Substanzen und Sauerstoff zu jeder einzelnen Teile unseres Körpers zu transportieren und die Abfallprodukte der Zellen und Organe wieder abzutransportieren. Das Herz ist dabei der Motor, der den Kreislauf in Bewegung hält. Damit es diese Aufgabe lebenslang ausüben kann muß es vor allem mit Energie versorgt werden.

Für die Gewinnung seiner Energie muß das Herz mit Sauerstoff versorgt werden. Aber der Sauerstoff ist nicht der alleinige Energielieferant: Zucker, Fette und Eiweiß werden ebenso benötigt.

Lesen Sie daher im 1. Kapitel dieser eBook-Reihe zunächst etwas über die Energiegewinnung des Herzens (und der anderen Zellen unseres Körpers auch) und damit etwas über den Stoffwechsel.

Sie erfahren, wie der Zucker, das Fett und die Eiweiße, die man mit der Nahrung zu sich nimmt vom Darm ins Blut gelangen, was die Zellen mit diesen Baustoffen machen und welche Rolle der Sauerstoff dabei spielt.

Bevor Sie sich mit den einzelnen Stoffwechselvorgängen beschäftigen ist es allerdings vielleicht sinnvoll, wenn Sie sich an eine Grundbegriffe aus der Biochemie erinnern.

Einige Grundbegriffe

Atom

Atome sind bestimmte einzelne chemische Elemente, z.B. das Sauerstoff-, Stickstoff- oder Wasserstoff-Atom. Nach außen sind Atome elektrisch neutral, d.h. sie sind elektrisch weder positiv noch negativ geladen.

Ionen

Ionen (sprich: Joonen) bzw. in der Einzahl „Ion“ (sprich: Joon) sind elektrisch geladene Atome.

Der Kern eines Atoms besteht aus positiv geladenen Teilchen (Protonen). Um den Kern herum kreisen auf unterschiedlich vielen Kreisbahnen (Atomhülle) negativ geladene Elektronen. Dabei sind die Anzahl der Protonen und Elektronen gleich, sodaß das Atom insgesamt elektrisch neutral ist.

Fehlt einem Atom ein negativ geladenes Elektron überwiegen die positiv geladenen Protonen im Atomkern und das Atom ist nun elektrisch positiv geladen. Man spricht von einem „positiven Ion“.

Befindet sich in der Atomhülle ein überzähliges Elektron gibt es mehr Elektronen als Protonen, sodaß das Atom nun negativ geladen ist („negatives Ion“).

Molekül

Moleküle sind chemische Teilchen, die aus 2 oder mehr Atomen bestehen. Ein Molekül kann dabei aus mehreren gleichen oder verschiedenen Atomen bestehen.

Abb. 2
links = einfaches, rechts = komplexes Molekül
Abb. 2
sehr komplexes Molekül

„Gleichatomige“ Moleküle sind z.B. das Wasserstoff-Molekül (H2), das aus 2 einzelnen Atomen Wasserstoff (H) besteht und das Molekül des Sauerstoffs in der Luft (O2), das aus 2 Atomen Sauerstoff (O) besteht.

Das Wassermolekül H2O hingegen besteht aus verschiedenen Atomen, nämlich aus 2 Atomen Wasserstoff (H) und 1 Atom Sauerstoff (O).
Es gibt einfache, komplexe und sehr komplexe Moleküle (Abb. 2 und 3).

Kohlenstoffgerüst

Die meisten Moleküle, mit denen wir in der Biochemie zu tun haben bestehen aus Kohlenstoffatomen, an die bestimmte andere Atome angebunden sind. Dabei sind die miteinander verbundenen Kohlenstoffatome sozusagen das Gerüst des Moleküls. Es wird dargestellt wie oben in Abb. 4.

Abb. 4

Wenn man es aber genau nimmt und man die Kohlenstoffatome explizit einzeichnet sehen solche Moleküle aus wie unten in Abb. 4. Man läßt in der Darstellung komplexer Moleküle die einzelnen Kohlenstoffatome der Übersichtlichkeit halber einfach weg.

Und ebenfalls der Übersichtlichkeit halber läßt man auch die Wasserstoffatome weg, mit denen der Kohlenstoff in vielen Fällen verbunden ist.

Wenn somit in einem Molekül mit einem Kohlenstoffgerüst der Kohlenstoff mit Wasserstoff verbunden ist wird dies der Einfachheit halber nicht explizit eingezeichnet, andere Atome anstelle des Wasserstoffes (z.B. Sauerstoff (O) oder Stickstoff (N)) hingegen schon.

Enzym

Enzyme sind dazu da, bestimmte chemische Reaktionen in die richtige Richtung zu lenken. Sie funktionieren zudem nur an bestimmten Molekülen und bewirken hier nur 1 einzige Reaktion.

Stellen Sie sich einen Eimer vor, in dem sich z.B. Hefe und Wasser befinden. Wenn Sie nun Zucker hinzugeben können die verschiedensten chemischen Reaktionen ablaufen, indem sich die verschiedenen Stoffe nach dem Zufallsprinzip miteinander verbinden. Dadurch können verschiedene chemische Produkte entstehen und zwar nach dem Zufallsprinzip.

Nun möchten Sie aber, daß sich in diesem Eimer nur Zucker und Hefe miteinander verbinden, wobei Alkohol entstehen soll.
Hierzu benötigen Sie ein Enzym mit dem Namen „Alkohol-Synthetase“.

Enzyme (oder auch Fermente genannt) sind sehr komplexe Moleküle, die meistens zur chemischen Gruppe der Eiweiße gehören. Sie werden in den Zellen selber gebildet, wobei die Erbsubstanz die Herstellung von Enzymen steuert.

Enzyme haben wichtige Funktionen im Stoffwechsel, indem sie dafür zuständig sind, daß chemische Reaktionen an bestimmten Stellen in einer ganz bestimmten Richtung ablaufen. Hierdurch steuern sie die verschiedenen Wege der Stoffwechsel.

Die Benennung solcher Enzyme ist sehr verschieden. Oft benutzt man als Namensgeber die Art der chemischen Reaktion, die das Enzym bewirkt, manchmal benutzt man aber auch den Namen der chemischen Grundsubstanz, an dem das Enzym etwas macht und man hängt ihm den Zusatz „-ase“ an. Beispiele sind z.B. die „Alkohol-Synthetase“, die die Aufgabe hat, aus Zucker und Hefe Alkohol herzustellen (zu synthetisieren). Oder die „α-Amylase“ (sprich: alfa-Amülase), mit deren Hilfe Stärkemoleküle (siehe weiten unten) aufgespalten werden (lat. Wort für Stärke ist „amylum“).

Abb. 5

Der Einsatz von Enzymen wird in chemischen und biochemischen Gleichungen in einer bestimmten Weise kenntlich gemacht. Beispiel (Abb. 5):

In unserem Fall hat das Enzym „Alkohol-Synthetase“ die Aufgabe, eine chemische Reaktion ablaufen zu lassen, bei der aus Zucker und Hefe Alkohol und (als Abfallprodukt:) Wasser entstehen (Abb. 5).

Man liest solche Formeln wie in Abb. 5 folgendermaßen:

Der Name des Enzyms steht unter einem Pfeil vom Grund- zum Endprodukt, evtl. Zusatz- (in diesem Fall „Hefe“) und Abfallprodukte (in diesem Fall „Wasser“) stehen am Anfang und am Ende eines gebogenen Pfeils (blau in Abb. 5), der den schwarzen Grundpfeil berührt.
(Wie Sie sehen ist die biologische Herstellung von Alkohol aus Zucker und Hefe chemisch gesehen sehr einfach. Im Alltag ist es hingegen viel schwieriger, denn Sie benötigen eine Destille, einen Bunsenbrenner und vor allem den staatlichen Segen in Gestalt von Steuermärkchen (ohne Steuermärkchen ist die Herstellung von Alkohol illegal (was eine Zelle im Körper allerdings überhaupt nicht interessiert)!

Die verschiedenen Stoffwechsel

Alle Zellen des Körpers haben bestimmte Aufgaben:

Die Zellen der Schilddrüse sollen beispielsweise Schilddrüsenhormone produzieren, die Leberzellen produzieren Gallenflüssigkeit, die Magenzellen Magensäure, die Nervenzellen sollen elektrische Impulse bilden oder weiterleiten und die Muskelzellen sollen sich zusammenziehen und dadurch etwas bewegen.

Sie haben schon gelesen, daß alle Zellen zur Erfüllung ihrer Aufgaben 2 Dinge benötigen:

Sowohl die Herstellung von Energie als auch die Produktion der Endprodukte erfolgt im Rahmen chemischer Prozesse, die man „Stoffwechsel“ nennt.

Man unterscheidet verschiedene Stoffwechsel:

Abb. 6

Ganz allgemein gesprochen funktioniert der Körper mit seinen zahllosen Stoffwechseln so (Abb. 6), daß die Grundstoffe der Produktion an die Zellen angeliefert werden („Zufuhr“ in Abb. 6), dort in den Zellen verarbeitet werden (Fabrik in Zelle 1 und 2) und daß schließlich die hergestellten Stoffe zu anderen Organen transportiert werden (Zelle 2) bzw. die Abfallprodukte der Stoffwechsel zur Entsorgung („Abfall“) ebenfalls abtransportiert werden.

Im Folgenden möchte ich mich ausschließlich mit dem Allgemeinen Stoffwechsel beschäftigen, mit dem die Zellen ihre Energie gewinnen. Und das wird als erstes die Frage auf, woraus die Zellen ihre Energie überhaupt gewinnen.

Energie gewinnen wir (wie alle Lebewesen) aus der Nahrung, d.h. im wesentlichen aus Zucker, Fetten und Eiweiß. Für jede dieser Stoffe gibt es einen Kreislauf, der bei der Aufnahme des Stoffes mit der Nahrung beginnt und sich mit ihrer Verarbeitung fortsetzt. Alle diese Kreisläufe sind zum Zweck der Energiegewinnung miteinander verbunden, d.h. daß vor allem der Zucker-, aber auch der Fett-Stoffwechsel Substanzen produzieren, die für die eigentliche Energiegewinnung benötigt werden.

Daraus ergibt sich nun die Frage, was diejenige Substanz ist, aus der die Zellen ihre benötigte Energie gewinnen. Benzin wie beim Auto, Gas wie bei der Heizung oder Strom wie beim Handy kann es ja nicht sein. Also, was ist der Treibstoff des Lebens?

Energiegewinnung

Der Treibstoff des Lebens ist eine Substanz namens ATP.

ATP ist die Abkürzung für Adenosin-tri-Phosphat. Es handelt sich um ein sog. „energiereiches Phosphat“ und es wird für sämtliche energieverbrauchenden Vorgänge des Körpers benutzt.

Wie funktioniert ATP?

Abb. 7

ATP ist eine Substanz, die sich aus 4 Komponenten zusammensetzt:
Aus Adenosin und aus 3 Phosphaten (Abb. 7).

Dabei bezeichnet man jede dieser 4 Substanzen als Molekül. ATP besteht also insgesamt aus 4 Molekülen (1 x Adenosin und 3 x Phosphat).

Abb. 8
Rote Pfeile = Bindungsenergie zwischen den einzelnen Molekülen

Damit diese 4 Moleküle miteinander eine stabile Verbindung eingehen können wird bei der ATP-Herstellung Energie benötigt.

Diese Energie bleibt nach der Fertigstellung des ATP gespeichert und zwar in jeder der 3 Verbindungen (Abb. 8). Löst sich 1 der 3 Phosphatmoleküle vom Adenosin ab dann wird die Energie für diese Bindung freigesetzt. Sie können sich dies wie in dem folgenden dummen Beispiel vorstellen (Film 1):

Film 1

Nehmen Sie einen Luftballon, blasen ihn auf und verschließen Sie seine Öffnung mit den Fingern.

Durch den Druck, den Sie beim Aufblasen aufgewendet haben haben Sie den Ballon nun mit Energie ausgestattet.
Dadurch, daß Sie den Ballon mit den Fingern verschlossen haben und ihn mit der Hand festhalten haben Sie eine Kombination von Luftballon und Ihrer Hand geschaffen. Diese Kombination, d.h. diese Verbindung ist wegen des im Ballon enthaltenen Drucks energiereich.

Nun lassen Sie den Ballon los.

Film 2

Durch das Loch entweicht die Druckluft (d.i. die gespeicherte Energie) und der Ballon geht in die Luft. Durch die Öffnung des Lochs ist also die im Ballon gespeicherte Energie frei gesetzt worden und konnte nun für spezielle Zwecke (in diesem Fall: Fliegen) verwandt werden.

Dieses Prinzip der freigesetzten Energie durch die Veränderung einer Komponente (beim Ballon: Öffnung des Ballon-Lochs) funktioniert beim ATP in ähnlicher Weise. Sehen Sie hierzu in Film 2, wie ATP bei der Muskelarbeit benutzt wird. (Kümmern Sie sich nicht um Einzelheiten, dies wird später in Band 3 („Herzmuskel“) noch erklärt werden.)

Film 3
Umwandlung von ADT in ATP und umgekehrt. Beachten Sie am unteren Bildrand den Blitz, der die Energie symbolisiert. Der Blitz soll zeigen, daß bei der Umwandlung von ADP in ATP Energie verbraucht wird, diese Energie in Gestalt des ATP im Moleküle gespeichert wird und daß diese Energie wieder frei wird, wenn ATP in ADT zurück umgewandelt wird.

Sie sehen hakenartige Gebilde, die einer der Bestandteile von Muskelzellen sind. Das Köpfchen und der Schaft dieses Gebildes stehen in einem bestimmten Winkel zueinander. Angelagert in das Köpfchen befindet sich1 Molekül ATP.

Wenn das Köpfchen nun von einem Atom Kalzium getroffen wird dann spaltet sich das ATP auf:

1 Phosphatmolekül wird „abgesprengt“ und 2 Phosphatmoleküle bleiben zurück. Hierdurch entstehen aus ATP (= Adenosin-tri-Phosphat) 1 Molekül ADP (= Adenosin-di-Phosphat) und 1 Molekül freies Phosphat (Film 3).

Durch diese Abspaltung 1 Phosphatmoleküls vom ATP wird nun die im ATP-Molekül gespeicherte (Bindungs-) Energie frei und diese Energie wird dazu benutzt, daß das Köpfchen seine Form ändert, d.h. das Köpfchen klappt gegenüber dem Schaft ab.

Diese Formänderung wiederum ist erforderlich, um den Muskel arbeiten zu lassen. Wie gesagt: Nehmen Sie dies an dieser Stelle einfach mal zur Kenntnis, auf Einzelheiten der Muskelbewegung gehe ich später in Band 3 noch genauer ein.

Durch diese Arbeitsweise, d.h. durch die Abspaltung 1 Phosphat-Moleküls vom ATP wird Energie zur Verfügung gestellt, die für jeden einzelnen Stoffwechselvorgang unseres Körpers erforderlich ist. Gleichgültig, ob Zellen Haare produzieren, Gallensäure oder Hormone, ob Nieren bestimmte Substanzen aus dem Blut filtern oder unser Gehirn denkt: Immer wird Energie in Gestalt des ATP benötigt.

Das ATP ist also der Energielieferant für alle Stoffwechselvorgänge des Körpers. Dementsprechend groß ist der ATP-Bedarf, den ein Mensch hat:

Er benötigt jeden Tag etwa die Hälfte seines Körpergewichts an ATP. Das bedeutet, daß ein 80 kg schwerer Mensch täglich 40 kg ATP benötigt, um ordentlich funktionieren und überhaupt leben zu können.

Wenn 40 kg täglich verbraucht werden bedeutet dies anders herum, daß diese 40 kg auch wieder hergestellt werden müssen, Tag für Tag, Monat für Monat und Jahr für Jahr. Unglaublich, was?

Diese Unmenge erklärt auch, weshalb es von grundlegender Bedeutung ist, daß jede Zelle des Körpers permanent und ohne Unterbrechung mit ATP versorgt wird. Bricht diese Versorgung zusammen kann kein ATP mehr produziert werden, die Zelle hat keine Energie mehr zur Verfügung und ohne diese Energie stirbt sie.

Dies wirft nun die Frage auf, woher die Zellen das ATP bekommen. Nicht mit der Nahrung, das steht fest, denn ich habe ATP bislang noch auf keiner Konserve und keinem Tiefkühlprodukt unter der Rubrik „Inhaltsstoffe“ gefunden. Also: Woher stammt das ATP?

Woher stammt das ATP?

Nun könnte man als Mensch des 21. Jahrhunderts sagen: Ist doch ganz einfach: Da gibt es irgendwo ein zentrales Organ, in dem ATP produziert wird und von hier aus wird es überall dorthin geliefert, wo es gerade benötigt wird.

Es gibt in keinem Körpers eines Lebewesens ein zentrales Organ, in dem das ATP produziert und von dort an die Zellen des Körpers weitergeleitet werden. Es ist vielmehr so, daß das ATP von jeder Zelle für sich hergestellt wird.

Den Grund dafür kenne ich zwar nicht, aber wenn ich mir die vielen Vorgänge unseres Körpers vor Augen führe dann erkenne ich überall wundersam zusammen gefügte Systeme, bei denen alles äußerst sinnvoll miteinander verbunden ist. Also wird es auch für die Art der dezentralen und Zellen-individuellen Energiegewinnung einen sinnvollen Grund geben. Vielleicht denjenigen, daß wir unweigerlich sterben müßten, wenn es ein einziges zentrales Organ für die Energiegewinnung gäbe und dieses Organ beschädigt werden würde.

Um es auf den Punkt zu bringen: Energie in Gestalt des ATP wird also immer dort gewonnen, wo sie gerade benötigt wird, also in den Muskeln, im Gehirn, im Herzen oder wo auch immer. Und dies geschieht im Rahmen mehrerer chemischer Prozesse, die aufeinander abgestimmt sind. Ich widme mich also zunächst der Frage, wo das ATP hergestellt wird und in den folgenden Kapiteln mit dem Zucker-, Fett- und dem Eiweißstoffwechsel, die jeweils wichtige Substanzen produzieren, die für den Betrieb des ATP-Stoffwechseln unabdingbar sind.

Kommen wir also zunächst zur Herstellung des ATP.

Herstellung des ATP

Für die Herstellung des ATP gibt es 2 Wege: Die Neusynthese und die Wiederherstellung aus ADP.

  1. Ausgangspunkt der Neusynthese des ATP ist die Aminosäure Adenin, die mit einem Zucker namens Ribose und einer der schon erwähnten Phosphatgruppen verbunden wird. Über verschiedene Zwischenschritte entsteht hieraus als Endprodukt eine Substanz mit Namen „Inosinmonophosphat“ (IMP).

    Dieses IMP wird nun mit der Aminosäure „Aspartat“ verbunden, wobei eine Substanz namens „Guanosin-tri-phosphat“ (GTP) eine ihrer 3 Phosphatgruppen abgibt und diese Gruppe ebenfalls auf das IMP überträgt. Es entsteht dabei eine Substanz mit Namen „Adenylsuccinat“. Ausgelöst und gesteuert wird diese chemische Reaktion durch das Enzym „Adenylsuccinat-Synthase“.

    Im nächsten Schritt wird von diesem Adenyl-Succinat Fumarsäure abgespalten, wofür das Enzym „Adenylsuccinat-Lyase“ sorgt, sodaß am Ende dieser Reaktionskette das Adenosin-Mono-Phosphat (AMP) steht.

    Abb. 9
    GDP = Guanosin-tri-phosphat, Enzyme in blau

    Damit aus dem AMP das von der Zelle benötigte ATP wird verbindet sich AMP mit einem bereits vorhandenen ATP-Molekül, wobei letztlich 2 Moleküle ADP entstehen. Das für diese Reaktion verantwortliche Enzym ist die Adenylatkinase, das dafür sorgt, daß eine Phosphatgruppe aus dem ATP auf das AMP übertragen wird, sodaß ADP entsteht.

    Das Enzym Adenylatkinase ist dann letztlich auch für die Umwandlung von ADT zu ATP verantwortlich, indem es aus einem weiteren ATP-Molekül eine Phosphatgruppe abspaltet und auf das ADT überträgt.

    Diese gesamte Reaktionskette sehen Sie in Abb. 9 (Sie müssen diese Reaktionskette nicht auswendig lernen, es sei denn, Sie studieren gerade Medizin; ich zeige sie Ihnen nur zur Demonstration, wie biochemische Prozesse ablaufen).

    Sie sehen in dieser Abbildung übrigens auch, daß sich das AMP durch Abspaltung einer Stickstoff-Wasserstoff-Gruppe wieder in das IMP zurück verwandeln kann. Hierdurch entsteht ein Stoffwechsel-Kreislauf (=Zyklus), wie Sie ihn in der Biochemie häufiger finden werden.

    Dieser Weg der Herstellung von ATP ist ein nicht sehr intensiv genutzter Stoffwechselweg, der nur in speziellen Situationen aktiv wird. Viel intensiver verläuft die ATP-Herstellung über den nächsten Weg:

  2. Die Regeneration von ATP aus ADP.

    Dieser Stoffwechselweg ist der am intensivsten verlaufende Weg, der den Zellen das meiste ATP zur Verfügung stellt.
    Es handelt sich um ein sehr komplexes und wundersam ineinandergreifendes System aus 2 Stoffwechseln, 1 Reaktionskette und 1 Enzym. Bei dem Enzym handelt es sich um die

    • ATP-Synthase,
    • bei der Reaktionskette um die Atmungskette und
    • bei den 2 Stoffwechseln um die Glykolyse mit dem Zitronensäure- (oder Citrat-) Zyklus. Den Zitronensäure-Zyklus werde ich im nächsten Kapitel über den Stoffwechsel des Zuckers genauer besprechen.
Abb. 10

Den gesamten Energiestoffwechsel habe ich in Abb. 10 einmal schematisch dargestellt. Kümmern Sie sich in dieser Abbildung noch nicht um Einzelheiten, ich bespreche alles in den nachfolgenden Abschnitten dieses Kapitels, in Abb. 10 sollen Sie nur einen groben Überblick bekommen.
Der gesamte Energiestoffwechsel findet in den Mitochondrien der Zellen statt, sie sind sozusagen das Energiekraftwerk der Zelle.

Mitochondrien sind Bestandteile einer Zelle (Abb. 11). Hier arbeiten sie sozusagen als Kraftwerk des Herzens, denn sie sind in der Hauptsache zuständig für die Belieferung der Zelle mit ATP und damit mit Energie. Daher findet man in Zellen, die besonders viel Energie benötigen (z.B. Muskel- oder Nervenzellen) auch besonders viele Mitochondrien.

Abb. 11
Abb. 12

Das Besondere am Aufbau der Mitochondrien ist, daß sie von einer Doppelmembran umgeben sind (Abb. 12).

Sie bestehen also aus einer äußeren und einer inneren Membran, dem dazwischen gelegenen Membran-Zwischenraum und der ganz im Inneren gelegenen Matrix.

Die innere Membran stülpt sich in Form von Leisten (sog. Cristae) in die Matrix herein. Dadurch vergrößert sich die Oberfläche der Membran und bietet so mehr Platz für membranständige Eiweiße, zu denen auch die ATP-Synthase gehört (Abb. 13).

Abb. 13

ATP-Synthase

Film 4
Abb. 14

Die ATP-Synthase ist ein Enzym, das die Fähigkeit hat, ATP herzustellen. Dadurch ist sie sozusagen die ATP-Fabrik der Zelle.
Ihre Aufgabe ist es, aus 1 Molekül ADP und 1 Molekül Phosphat das energiereiche ATP herzustellen (Film 4).

Betrieben wird diese Fabrik mit Wasserstoff-Ionen, d.h. elektrisch geladenen Wasserstoff-Teilchen. Sie ist daher eng mit der Atmungskette und der Zitratzyklus gehört (Abb. 14), die Gründe dafür werden Sie gleich verstehen.

Die ATP-Synthase ist in die innere Membran der Mitochondrien eingebaut.

Sie ist kein schlichtes und in aller Eile zusammengesetztes Enzym, sondern ein äußerst kompliziertes Molekül, das aus zahlreichen miteinander verbundenen und speziell geformten Eiweiß-Fäden besteht (Abb. 15).

Abb. 15

Die ATP-Synthase besteht aus der

Film 5

Der ringförmige Rotor ...........

Ende der Leseprobe


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